Am frühen Morgen taucht eine Nachrichtenmeldung auf,die ironischer nicht sein könnte.Hansruedi (HR) Giger, der Erfinder des »Aliens«, der Zeit seines Lebens Abneigung und Ängste gegenüber Treppen und ähnlichen Angelegenheiten hatte, erliegt den Folgen der Verletzungen, die er sich bei einem Sturz zugezogen hat. Weiterlesen
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Einhundertvierzig Zeichen
Es gibt keine Namen. Kein ich. Kein er und kein sie. Nur ein du, und an wenigen Stellen ein ominöses wir. Wir, das ist offenbar ein Geheimdienst, der dich, eine namenlose junge Frau, auf deine Mission fürs Vaterland geschickt hat. Unerkannt sollst du dich einem Gangster nähern, sein Vertrauen gewinnen, mit ihm schlafen − und Informationen beschaffen.Dabei fungiert dein Körper nicht nur als Verführungsinstrument, sondern auch als eine Art menschliche Black Box. Ausgestattet mit Kamera und Schnittstelle speichert er, was du siehst und ermöglicht dir fremde Datenquellen anzuzapfen. Der Geheimdienst kann diese Informationen später verwerten. Vorausgesetzt, dein Körper schafft es zurück. Tot oder lebendig. Weiterlesen
Taubheitsgefühl
Um sämtliche Missverständnisse gleich zu Beginn aus dem Weg zu räumen: Das kürzlich im Rowohlt-Verlag erschienene »Morphin« ist keineswegs die Fortsetzung von M. Agejews »Roman mit Kokain«. Vielmehr handelt es sich bei Szczepan Twardoch um einen Autor der Gegenwart, der die Handlung seines Erstlings ins Warschau am Ende der 30er Jahre versetzt, der goldenen Ära des Morphins. Protagonist Konstanty Willemann, von seinen Freunden kurz Kostek geheißen, erwacht eines Morgens, verkatert und hungrig, die Deutschen haben Polen gerade überrannt und für einen Reserveoffizier wie Kostek gibt es kaum etwas zu tun. Also besucht er die Cafés, in denen die geschlagenen Generäle und Majore schon über den Befreiungskrieg fachsimpeln, sieht sich die jüdische Oberschicht an, die mit bereits gepackten Koffern versucht, letzte Wertgegenstände gegen Bares einzutauschen und wandert die Straßen des zerstörten, »vergewaltigten« Warschaus hinunter. Weiterlesen
Aus Helden werden schlichte Männer
In der Schule wurde »Im Westen nichts Neues« von Erich Maria Remarque gelesen und wir wunderten uns: Wieso zogen unsere Urgroßväter einst freiwillig in den Krieg? Mein Großvater wusste die Antwort, doch statt sie zu sagen, mir von seinem eigenen Vater zu erzählen, drückte er mir ein Buch in die Hand: »In Stahlgewittern« von Ernst Jünger. Weiterlesen
Großwerden ist eine Tragödie
Yoko Ogawas Roman »Schwimmen mit Elefanten« erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen, der die Ästhetik des Schachspiels für sich entdeckt. Durch einen Zufall begegnet er seinem Sensei, seinem Meister: Ein ehemaliger Busfahrer von enormer Leibesfülle, der sich aus einem ausrangierten Bus ein Heim erschaffen hat, in dem er dem Jungen jeden Tag nach der Schule zum Schachspielen empfängt. Weiterlesen
Nachlese Leipzig 2014
Es ist nicht so, dass alles auf der Welt besser würde, wenn die Leute mehr lesen, es kommt schon drauf an, was wir lesen.
– Denis Scheck
Im Herbst nach Frankurt, nach Leipzig, wenn der Frühling grünt, so lautet die Devise des deutschen Buchmarktes und so lauteten auch die Vorsätze der Octopus-Redaktion. Zum ersten Mal besuchten wir die Messe im Paris Ostdeutschlands, um im Auftrag des investigativen Online-Journalismus neue Freunde und alte Bekannte wiederzutreffen, vor allem aber um eine Frage zu beantworten: Ist die Leipziger Buchmesse wirklich besser/angenehmer als die wundervolle, herrliche, uns jedes Jahr aufs Neue in den Wahnsinn treibende Frankfurter Buchmesse? Weiterlesen
Gasdanow, die Zweite
Er war neben M. Agejews „Roman mit Kokain“ wohl die fantastischste (Wieder-) Entdeckung des Jahres 2013: Sein im Hanser-Verlag erschienener, neu übersetzter Roman „Das Phantom des Alexander Wolf“ überzeugte Liebhaber wie Kritiker der russischen Exilliteratur gleichermaßen. Der Name Gaito Gasdanow ist insofern also Programm. Nun erscheint – ebenfalls bei Hanser – sein zweiter Streich, wobei es eigentlich vielmehr der erste ist, denn „Ein Abend bei Claire“ war das Erstlingswerk des stillen Russen. Zur Jahreswende 1929/30 veröffentliche der damals Sechsundzwanzigjährige jenes Werk, das ihn mit einem Schlag vom hungerleidenden Taxifahrer und Essaisten zum gefeierten Exilliteraten beförderte, der im selben Atemzug wie Vladimir Nabokov genannt werden sollte. Weiterlesen
Nur noch kurz die Welt resetten
Heimlich, leise, beinahe lautlos entziehen die Gedichte von Stephan Reich dem Leser den Boden unter den Füßen. Es geht da um »aokigahara«, einen Selbstmörderwald in Japan. Es geht um »tunguska«, einen Fluss in Sibirien, an dem 1908 eine Reihe bis heute ungeklärter Explosionen stattfand. Es geht um die »havel«, in der Georg Heym beim Schlittschuhlaufen ertrank. Und es geht um »everest«, den großen Berg, an dessen Hängen über 200 Tote für die Ewigkeit gefangen sind.
Stephan Reich, 1984 in Kassel geboren, lotet in seinen kühlen Gedichten, in seinem Debüt-Band »Everest« all jene Orte aus, an denen der Mensch versagt, scheitert, zerbricht.
Es sind klare Mitteilungen, einfache Feststellungen, gehalten in transparenter Sprache, in einer schwermütigen Melodie – und doch entwickeln diese Gedichte eine eigenwillige Wärme, einen ungeheuren Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Weiterlesen
Wo liegt eigentlich Georgien?
Welchen Geschmack hat Zynismus? Und welche Farbe besitzt Desillusionierung?
In Anna Kordsaia-Samadaschwilis »Ich, Margarita« erwartet man zunächst keine der beiden Stimmungen. Auf dem Cover zeigt eine junge Frau beim rasanten Radschlagen (oder beim Breakdance, so genau kann man das nicht sagen) ihren Bauchnabel. Dieses Bild, in Verbindung mit dem selbstbewussten, ein wenig frechen Titel, erweckt sofort den Eindruck, man lese einen der inzwischen in Mode gekommenen »Verlorene Jugend/ Adoleszenz /Coming of Age-Romane«, wie es sie letztes Jahr zahlreich zu bewundern gab (Man denke zurück an Roman Ehrlichs »Das kalte Jahr« oder Lisa Kränzlers »Nachhinein«). Weiterlesen
Der fast vergessene Krieg
Das Jahr 2014 ist nicht nur das Internationale Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft, in den kommenden zwölf Monaten wird der Beginn des Ersten Weltkriegs genau 100 Jahre alt. Das ist Anlass zum Gedenken an die vielen Menschen, die damals und seitdem in Kriegen überall auf der Welt sterben mussten, Anlass für Politiker, die tiefe Verbundenheit zu beteuern, die inzwischen in Europa herrscht, und Anlass für die Verlage, Bücher zu verkaufen. Beinahe jeder große Verlag, dessen Programm auch nur annähernd in die Bereiche Sachbuch oder Belletristik reicht, veröffentlicht dieses Jahr einen Titel über den Ersten Weltkrieg, sei es ein Fotoband, eine Chronik oder ein Feldküchen-Kochbuch. Bei dieser enormen Menge an Publikationen fällt es dem geneigten Leser natürlich schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen, deshalb werden im Folgenden die zwei wohl informativsten Werke vorgestellt. Weiterlesen
Ein Buch wie ein Backstein
»Blexbolex-Brikett«, so nennt die Moderatorin des Deutschlandradios im Gespräch mit Rezensentin Sylvia Schwab das Buch mit dem schlichten Titel »Ein Märchen« – der neueste Streich des in Leipzig lebenden französischen Autors und Illustrators Blexbolex. Anlass für diese Bezeichnung liefert das ungewöhnliche Format des 240 Seiten starken und etwa zehn mal zehn Zentimeter kleinen Buches, das wie ein Backstein in der Hand liegt.
Und nein, es beginnt natürlich nicht wie ein klassisches Märchen beginnen würde, die typische Einleitungsphrase à la »Es war einmal…« sucht man hier vergebens. Stattdessen kündigt eine kurze Inhaltsangabe an, was den Leser erwartet:
Diese märchenhafte Geschichte erzählt davon, was einem Kind Tag für Tag nach der Schule auf dem Nachhauseweg begegnet, und wie seine kleine Welt dabei auf einmal riesig groß wird.
Die Frage zum 4. Advent: Inselfieber
Zugegeben: Wir sind Fans von T.C. Boyle. Immer schon. Und die Freude war riesig, als wir zum Interview nach Stuttgart eingeladen wurden, um den Meister der Short- und Longstory dort zum angenehmen Plausch zu treffen. Schön war’s! Klar auch, dass wir unser diesjähriges Gewinnspiel mit dem neuesten Roman von T.C. Boyle abschließen, der in seiner dunkel-glitzernden Robinsonade »San Miguel« zwar nicht so viel Zynismus versprüht, dafür aber eine wundervolle Inselsaga spinnt. Weiterlesen