»Der eindimensionale Mensch« wird in diesem Jahr fünfzig Jahre alt. Thomas Ebermann, Andreas Spechtl und Robert Stadlober haben Herbert Marcuse auf die Bühne gebracht

Eingeklemmt zwischen jungen Kommunisten mit Karl-Marx-Bart, Reformhauskundinnen im selbst gestrickten Sackpullover und Jutta Dittfurth wartet man, dass endlich irgendetwas passiert. Aber es passiert nichts, und weil nichts passiert, macht man sich so seine Gedanken. Und man denkt: Nie lagen Glanz und Elend dieser Jahre, der Jahre der letzten, ja, sagen wir doch: Revolution, die dieses Land gesehen hat (hat jemand 1989/90 gesagt?), so nah beisammen. Und dann, nach einer verschlurft sympathischen Einführung von Thomas Ebermann, der Leben und Schaffen Herbert Marcuses vorstellt, kommen zwei schöne junge Männer auf die Bühne und entfachen ein Feuerwerk aus Marxismus, Krach und Zärtlichkeit, dass es einen nur so umhaut. Weiterlesen

Zu den einfachsten Grundübungen liberaler Sophistik gehört das Herausstellen der tatsächlichen oder vermeintlichen Ähnlichkeiten zwischen faschistischen und sozialistischen, respektive »rechten« und »linken« Systemen. Denn die Fakten liegen ja scheinbar auf der Hand. Haben Stalin und Mao nicht weit mehr Menschen auf dem Gewissen als Hitler und Mussolini? Und ist der Nationalsozialismus nicht in erster Linie ein national verbrämter, mit Antisemitismus und Rassenwahn angereicherter Sozialismus? Wer so »argumentiert«, kann sich in Deutschland, wo der Antikommunismus von jeher zum guten Ton gehört, des Beifalls sicher sein. Für Fortgeschrittene empfiehlt es sich indes, dem Ressentiment einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen. Ein ganzer Zweig der politischen Theorie lebt davon, ausgehend von Hannah Arendt auf die strukturelle Homologie zwischen den beiden politischen Extremen hinzuweisen. Das Zauberwort dafür heißt »Totalitarismus«, und der ist, das weiß heute jedes Kind, böse. Womit wir das Feld der politischen Auseinandersetzung verlassen haben und uns nunmehr im Sumpf der Moral befinden. Die Chancen, da wieder herauszukommen, stehen schlecht. Weiterlesen

Lässt sich die Verwechslung des einfältigen, aber grundsympathischen Donny in »The Big Lebowski« allein auf den ähnlichen Klang der Namen zurückführen? Oder weist sie nicht auch subtil darauf hin, dass John Lennon allgegenwärtig ist, Wladimir Iljitsch Lenin aber allenfalls noch als historische Person wahrgenommen wird? Man mache die Probe und spaziere mit offenen Augen durch eine x-beliebige Buchhandlung: Lenins umfangreiches Werk, das inklusive der Briefe mehr als fünfzig Bände umfasst, ist verschwunden, aus den Regalen und aus den Köpfen. In einer Zeit, in der Marx mit allerlei Verrenkungen zum Gewährsmann selbstkritischer Liberaler entstellt wird, ist von einem seiner bedeutendsten Nachfolger weit und breit nichts zu sehen respektive zu lesen. Woran liegt das? Und lohnt es sich, dem entgegenzuwirken oder ist Lenins Werk zurecht in Vergessenheit geraten? Weiterlesen

In den letzten Jahren ist der Literaturwissenschaftler Terry Eagleton einem größeren Publikum im deutschsprachigen Raum vor allem durch zwei Bücher bekannt geworden: »Der Sinn des Lebens« von 2008 und »Das Böse« von 2011. In beiden Büchern stellt Eagleton genuin philosophische Fragestellungen und Problemlagen mit der ihm eigenen Leichtigkeit und Verständlichkeit dar und bringt sie so auch dem interessierten Laien näher. Sein jüngstes Werk mit dem Titel »Warum Marx recht hat« setzt diesen Weg fort, handelt es sich doch um eine ebenso fundierte wie streitbare Einführung in die Theorie von Karl Marx und den Marxismus. Ein schwieriges Unterfangen, zweifellos, denn über kaum jemand ist soviel gesagt und geschrieben worden wie über Marx – was natürlich den Grund darin hat, dass kaum jemand das neunzehnte und zwanzigste Jahrhundert so stark geprägt hat wie Marx. Vor allem aber sind über kaum einen Philosophen und dessen Theorie derart viele Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Verzerrungen im Umlauf. Weiterlesen

Dietmar Dath, Schriftsteller und Journalist, und Barbara Kirchner, Professorin für theoretische Chemie, haben ein Buch geschrieben mit dem sperrigen Titel »Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee«. Doch ist der Titel allein, verglichen mit dem, was die Lektüre dieses buchgewordenen Ungetüms dem geneigten Leser abverlangt, noch vergleichsweise harmlos, denn auf gut 800 Seiten gehen Dath und Kirchner der Frage nach, »ob und wie so etwas wie sozialer Fortschritt gedacht und, wichtiger, gemacht werden kann«. Dazu durchforsten sie die Tiefen und Untiefen von Wissenschaft und Philosophie, Kunst und Literatur und picken sich heraus, was ihnen gelegen kommt und was gerade passt. Das Resultat ist ein Buch, das in seiner Komplexität und Vielschichtigkeit kaum zu fassen ist, so vollgepackt mit Informationen, Reflexionen und Ideen ist es. Weiterlesen