Die Kurzgeschichte hat es nicht leicht in Deutschland. Vergangen sind die Tage der Gruppe 47, vorbei die Ära von E.T.A. Hoffmann bis Heinrich Böll. Vereinzelt schaffen es noch Bände mit Erzählungen in die öffentliche Aufmerksamkeit, beispielsweise »Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes« von Clemens J. Setz im Jahr 2011, aber ansonsten steht die traurige Tatsache seit einiger Zeit fest: Die Kurzgeschichte ist – neben der Lyrik – das schwierigste Terrain im deutschen Buchmarkt, vor allem für junge, unbekanntere Autoren. Weiterlesen

Love Love Love! Passend zum Fest der Liebe verschenken wir in Runde drei unseres Gewinnspiels einen Liebesroman der besonderen Art. In »Untitled« von Popliteraturveteran Joachim Bessing verliebt sich ein erfolgreicher Modejournalist mit Haut und Haaren in eine schöne Fremde. Sie küssen sich, tauschen Nummern, küssen sich wieder und schon bald dreht sich seine Welt nur noch um Julia Speer, was weitreichende Folgen hat. »Julia ist das Erste, was mir sozusagen vorschwebt, wenn ich aufwache, und Julia ist das Letzte, wenn ich in die Besinnungslosigkeit hinübergleite.« Ein Roman über Liebe, Wahnsinn und den schmalen Grat dazwischen. Weiterlesen

Ein Marsch durch Schnee und Eis: Roman Ehrlichs wellenschlagendes Debüt »Das kalte Jahr« wurde kürzlich zu Recht mit dem Förderpreis des Bremer Literaturpreises ausgezeichnet. Zu Beginn des Romans läuft ein junger Mann los, um zu seinem Elternhaus zurückzukehren. Er ist der Stadt überdrüssig: »Es war kein lange vorher gefasster Entschluss. Ich konnte einfach plötzlich nicht mehr in meiner Wohnung bleiben, in meiner Straße, dem Viertel (…) mit dem kleinen Supermarkt auf der einen und dem großen Supermarkt auf der anderen Straßenseite.« Und so macht er sich auf, wandert durch das eingeschneite Deutschland, an Autobahnen entlang, an Jauchegruben und Möbelhäusern vorbei. Geschult an der Klarheit und Virtuosität W. G. Sebalds, hat Ehrlich einen Roman komponiert, der beunruhigt und fasziniert. Das beste Debüt des Jahres! Weiterlesen

Literaturkritiker Denis Scheck brachte auf der Frankfurter Buchmesse auf den Punkt, was alle dachten: »Die Welt geht unter, im Suhrkamp Verlag erscheint eine Graphic Novel!« Nun hat sich die Welt seitdem glücklicherweise doch noch etwas weitergedreht, sodass wir die Zeit fanden, uns jenes Werk einmal genauer anzusehen. Bei dieser wellenschlagenden Graphic Novel handelt es sich um »Kiesgrubennacht«, die Autobiographie  von Volker Reiche. Dieser sollte den meisten noch für seine Comic-Strip-Reihe »Strizz« in der FAZ bekannt sein, in welcher der gleichnamige Büroangestellte seinen Vorgesetzten mit ausgeflippten Ideen immer wieder auf die Palme bringt. »Kiesgrubennacht« ähnelt der Reihe auf den ersten Blick sehr, vor allem der Zeichenstil ist nahezu derselbe. Weiterlesen

Auf ein Neues! Wir eröffnen unsere Adventsverlosung in diesem Jahr mit einem Roman, der unter die Haut geht. »Nachhinein« erzählt vom Scheitern einer Freundschaft, von Verrat, Enttäuschung und Einsamkeit − und das mit einer poetischen Schärfe und Klarheit, die ihresgleichen sucht. Harter Lesestoff, keine Frage, aber vielleicht auch ein probates Gegenmittel gegen den süßlichen Weihnachtskitsch. Jedenfalls ist Lisa Kränzlers zweiter Roman so schonungslos wie wahrhaftig, ein großes Stück Literatur von einer Autorin, von der wir in Zukunft hoffentlich noch viel lesen werden. Weiterlesen

The Best for the Fest: Die Bücher des Jahres 2013 zum Abstauben.

Die Weihnachtszeit nähert sich und wir haben unsere Geschenke bereits im Anschlag: Von Sonntag an veranstalten wir auf Facebook unser traditionelles octopus-Gewinnspiel im Advent. Dabei gibt es Bücher abzustauben, welche für uns zu den besten literarischen Veröffentlichungen des Jahres zählen. Weiterlesen

Das Grauen kommt leise, behutsam, mit Fotografien und zarten Sätzen, ein Tasten in Erinnerungen – und am Ende steht die Selbstauslöschung. W. G. Sebalds Erzählsammlung »Die Ausgewanderten« wurde erstmals 1992 veröffentlicht und wirbelte viel Staub auf. Wie kein zweiter Autor spürte Sebald in seinen Werken die »Schmerzenspuren der Geschichte« auf, die Verbrechen an der Menschlichkeit. Und er klagte im Jahre 1997 in einem wellenschlagenden Essay an, dass die Kriegstraumata und die Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs bisweilen ungenügend literarisch dargestellt wurden. Weiterlesen

Die Frage ist nicht, ob etwas passiert, sondern wann. Und was. Und wie schlimm es kommen wird. Blut wird fließen, soviel ist sicher. Aber werden Köpfe rollen, abgetrennte Gliedmaßen durch die Luft wirbeln und Gedärme aus offenen Bäuchen quellen? Oder kommt der Schrecken subtiler daher und zermartert den Verstand anstelle des Körpers? Aus Horrorfilmen oder Thrillern ist dieses Phänomen bekannt: Tumbe Trulla läuft durch den Wald, trifft einen schrägen Einheimischen und keine halbe Stunde später steckt ihr Kopf auf einem Pfahl. Oder so ähnlich. Als Zuschauer möchte man diesem dummen Ding am liebsten zurufen, nicht so naiv zu sein und dem finsteren, bärtigen Waldschrat doch besser nicht zu vertrauen. Aber sie steigt natürlich doch auf die Rückbank seines Autos und das Unglück nimmt seinen Anfang. Weiterlesen

Es gibt spleenige Autoren. Victor Hugo schrieb »Les Miserables« nackt. Dann gibt es Autoren, die zu Lebzeiten zu wenig beachtet wurden. Richard Yates beispielsweise. Und dann gibt es Nathanael West. Dessen verworrener Lebenslauf zwischen jüdischen Wurzeln, dem Paris der Bohème und Hollywood zeugt von einem Menschen, der den Zeitgeist seiner Generation schneller durchblickt hatte als alle anderen und der deshalb zum vorläufigen Scheitern verurteilt war. Er war ein Idol für Autoren wie Ernest Hemingway oder F. Scott Fitzgerald und prophezeite im Jahre 1939 bereits den Zusammenbruch des Studio-Systems von Hollywood, der in den 50ern dann auch Einzug halten sollte. Weiterlesen

Es war der Aufreger der Buchmesse 2013: Paulo Coelho, dessen Gesicht man schon einmal vorsorglich auf alle Shuttle-Busse und sonstig verfügbare Flächen geklebt hatte, gab bekannt, er würde nicht nach Frankfurt kommen.
Als Grund gab der 66-Jährige die Korruption in seinem Land an, die anscheinend auch in der Auswahl der Autoren ihre Klauen ausstreckte. Von den 70 Autoren, die eingeladen wurden, so Coelho, kenne er nur 20, die anderen seien vermutlich eher die Freunde von irgendwem, und weniger wegen ihrer literarischen Größe vor Ort, als vielmehr durch Vetternwirtschaft. Ein schwerer Vorwurf, wenn auch kein völlig unbegründeter, da sich Brasilien nach wie vor mit Themen wie der Korruption oder der Gewalt durch Staatsorgane auseinandersetzen muss. Weiterlesen

Viele Stimmen, keine Zeit. Unser kollektiver Rückblick auf die größte Bücherschau der Welt.

Die Vorzeichen standen schlecht, am Mittwochmorgen, als wir die S-Bahn verließen, um unsere Buchmesse-Tickets zu zücken: Eine Armada hektischer Trolli-Roller rollte mit Anzügen und Gelfrisur auf die schmalen Rolltreppen zu und setzte die Rolltreppenlogistik am S-Bahnhof der Messe sogleich außer Kraft. Das anreisende Fachpublikum nahm es nicht mit Humor und pöbelte auf Fußballstadionniveau vor den heiligen Messehallen herum. Weiterlesen

Boyle_24323_VS_MR1.inddEin neues Jahr, ein neuer Boyle. Beglückte der Hanser-Verlag die Leser 2012 noch mit dem Ausflug ins Tierreich »Wenn das Schlachten vorbei ist«, so steht nun schon das nächste Werk vor der Tür: »San Miguel«, benannt nach der Insel vor der kalifornischen Küste, die gleichzeitig auch den Handlungsort liefert.

Bereits im Vorfeld gab es viel Furore: »Das wird sein erster Roman ohne Sarkasmus!«, sagten die einen, »Er bleibt sich treu«, sagten die anderen. Die Wahrheit liegt – wie so oft – irgendwo in der Mitte. Sicher ist das ein Roman von T. C. Boyle, das merkt man auf jeder Seite, zwischen jeder Zeile, in jedem Gedanken. Doch die Atmosphäre wirkt nüchtern, weniger überdreht, beklemmend. Das Elend passiert, das steht fest, doch beim Leser bildet sich nicht die sonstige süffisante Schadenfreude gepaart mit Fassungslosigkeit, sondern vielmehr Mitleid und Bedauern. Weiterlesen