Kein Weg führt daran vorbei, an einer Liste der besten Bücher des Jahres 2012.
Sie soll als Protokoll dienen, als Licht im Dschungel, Happening, Klischeebekundung und unbedingte Empfehlung.
Wir haben uns im Dienste der Literatur die Haare gerauft und Koalitionen geschlossen. Doch kam niemand von uns an diesen zehn Büchern des Jahres vorbei. Es sind die besten Bücher. Finden wir!
(Die Liste ist nach alphabetischen Gesichtspunkten sortiert. Ohne Präferenzen.)

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Olga Grjasnowa veröffentlichte im Februar 2012 ihren Debütroman »Der Russe ist einer, der Birken liebt«, der sogleich auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2012 gewählt wurde. Der Roman erzählt von Mascha, einer jüdischen Aserbaidschanerin, die von Deutschland nach Israel reist. Es ist die »Geschichte einer Generation, die keine Grenzen kennt, aber auch keine Heimat hat.«

Die Autorin im Interview auf der Frankfurter Buchmesse über Anton Tschechow, das Paris der 20er Jahre und einen Studienabschluss, der auf dem Arbeitsmarkt nichts wert ist. Weiterlesen

Ganz entspannt: Christian Preußer ist am Morgen frohen Mutes
Ganz entspannt: Christian Preußer ist am Morgen frohen Mutes

Die Lehre der diesjährigen Buchmesse ist klar verständlich und erbauend: Jeder ist ein Autor, er muss nur mindestens im Internet einen Blog unterhalten. Wo einst das Sterben der Musikbranche feierlich ignoriert wurde, wird heuer der anstehende Tod des Buchhandels thematisiert: auf dem Frankfurter Messegelände. Die Verlage sind nervös, die Autoren gelassen. Mit Jussi Adler-Olsen im Geiste treffen wir uns zur Mittagszeit vor dem Bratwurststand und untermauern unsere eigenen Visionen mit »Pommes Rot-Weiß«.

Mit großen Augen irren wir durch den Bücherwald der Verlagsgruppe Random House. Eine blonde Medienfrau (die eigentlich gerade über einen Witz von Elke Heidenreich lachen wollte) klärt uns auf: »Die Verlagsgruppe Random House, Inc. inklusive der zugehörigen Dachmarke Random House befindet sich im Besitz der Bertelsmann AG und fungiert als Dachgesellschaft für alle Bertelsmann-Verlage.« Als ob wir das nicht schon von Wikipedia wissen würden. Das ausgestellte Programm dieses Verlags-Kolosses lässt uns ratlos zurück. Wir fragen uns, ob denn nicht schon viel zu viele Menschen »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« gekauft und womöglich auch gelesen haben. Zügig bahnen wir uns unseren Weg durch die Gassen. Auf den überfüllten Toiletten schütteln wir uns kräftig durch. Es wird besser, denn bald schon kommen wir am Stand unseres heimlichen Lieblingsverlages liebeskind an. Die Auswahl der Bücher ist herrlich. Die Gruppe einigt sich: Das gesamte Programm ist toll. Wir reißen uns schweren Herzens los. Wir haben Termine.

Irgendwo auf diesem Bild hat sich Lothar Matthäus versteckt (Foto: Vox)

Zur Verabredung mit Andreas Stichmann treffen wir pünktlich am geschniegelten Rowohlt-Stand ein. Wir wollen über seinen gefeierten Debüt-Roman »Das große Leuchten« sprechen, haben aber ganz vergessen, dass Lothar Matthäus zeitgleich seine Autobiographie auf der Messe vorstellen will. Ein mittelschwerer Fauxpas, der uns bei der Messevorbereitung unterlaufen ist. Immerhin haben wir das Gelände nun für uns alleine: Die Polizisten sind beschäftigt, die Fotografen abgestellt und der Hof ist leer. In entspannter Atmosphäre plaudern wir mit Andreas Stichmann über die Vorzüge und Gefahren des Reisens. Wir beschwören unsere gemeinsame Bewunderung für Leif Randts »Schimmernder Dunst über CobyCounty« herauf und verabreden uns »auf bald!«

Heim geht's!

Kaum haben wir uns umgedreht, läuft uns die wunderbare, talentierte, anmutige Olga Grjasnowa über den Weg. Schnell ist ein Termin fürs ungezwungene Plaudern gefunden, abseits des großen Auflaufs. Noch bevor wir uns verabschieden, haben wir uns heimlich verliebt.
Während die Bestellung des ersten Bieres auf sich warten lässt, rattert Burkhard Spinnen an uns vorbei. Auf unseren flotten Anmachspruch von der Seite geht er nicht ein – er ist im Gespräch mit seiner Frau. Das Bier ist Essig. Wir trinken lieber Wein – und das am Abend in unserem Stammlokal im Frankfurter Nordend. Die trockene Luft in den Messehallen ist nicht jedermanns Geschmack.

Die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2012 steht fest. Unter den zwanzig Nominierten finden sich sowohl Newcomer wie Olga Grjasnowa, die mit »Der Russe ist einer, der Birken liebt« für Furore sorgte, als auch alte Bekannte, unter anderem Rainald Goetz, dessen neuer Roman »Johann Holtrop« im Spätsommer erscheinen wird, und Clemens J. Setz, der bereits im vergangenen Jahr den Preis der Leipziger Buchmesse gewann. Insgsamt zeichne sich die diesjährige Longlist durch eine verblüffende »Welthaltigkeit« aus, so Jury-Sprecher Andreas Isenschmid: »Kaum eine Dimension, die nicht vorkommt: die große Liebe und der avancierteste Kapitalismus, die Erfahrung des Heiligen so gut wie Schocks der Kälte und Einsamkeit. Unsere zwanzig besten Romane greifen aus: in den Jemen, nach Nordafrika, nach Polen und nach Argentinien, ins gänzlich Imaginierte sowieso.«

Die Shortlist mit verbleibenden sechs Titeln wird am 12. September bekannt gegeben, der Gewinner bei der Preisverleihung zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 8. Oktober.

Die Longlist des Deutschen Buchpreises 2012:

• Ernst Augustin: Robinsons blaues Haus (C. H. Beck, Januar 2012)

• Bernd Cailloux: Gutgeschriebene Verluste (Suhrkamp, Februar 2012)

• Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend (Knaus, September 2012)

• Milena Michiko Flašar: Ich nannte ihn Krawatte (Wagenbach, Ja-nuar 2012)

• Rainald Goetz: Johann Holtrop (Suhrkamp, September 2012)

• Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt (Hanser, Februar 2012)

• Wolfgang Herrndorf: Sand (Rowohlt.Berlin, November 2011)

• Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen (Frankfurter Verlags-anstalt, September 2012)

• Germán Kratochwil: Scherbengericht (Picus, Februar 2012)

• Ursula Krechel: Landgericht (Jung und Jung, August 2012)

• Dea Loher: Bugatti taucht auf (Wallstein, März 2012)

• Angelika Meier: Heimlich, heimlich mich vergiss (Diaphanes, März 2012)

• Sten Nadolny: Weitlings Sommerfrische (Piper, Mai 2012)

• Christoph Peters: Wir in Kahlenbeck (Luchterhand, August 2012)

• Michael Roes: die Laute (Matthes & Seitz Berlin, September 2012)

• Patrick Roth: Sunrise (Wallstein, März 2012)

• Frank Schulz: Onno Viets und der Irre vom Kiez (Galiani Berlin, Februar 2012)

• Clemens J. Setz: Indigo (Suhrkamp, September 2012)

• Stephan Thome: Fliehkräfte (Suhrkamp, September 2012)

• Ulf Erdmann Ziegler: Nichts Weißes (Suhrkamp, August 2012)

Update 22.08.2012: Einen schönen und informativen Überblick über die die nominierten Titel inklusive Kurzvorstellung gibt es hier.

derrusseisteiner

Ein Debütroman ist immer etwas Besonderes, oft blitzt hier am meisten das literarische Genie des Autors hervor und zeigt auf, in welche Richtungen es sich entfalten kann.
Doch selbst unter Erstlingswerken sticht Olga Grjasnowas Roman hervor: Schon der Titel besticht durch seine  außergewöhnliche Länge (übrigens ein Zitat aus Anton Tschechows »Die drei Schwestern«), dieses Außergewöhnliche wird auch das ganze Buch über beibehalten, Grjasnowa zeichnet ein schwermütiges Bild des Lebens, sie gibt den Blick frei auf die Themen Freiheit und Tod, Abschied und Vergessen. Weiterlesen