houllebecqEr sieht müde aus und ziemlich ausgezerrt. Ein kleines Männchen, mit wirrem Haar und faltigem Hemd. Michel Houellebecq hat harte Zeiten hinter sich, ach, eigentlich waren sie schon immer hart: Seit seinem Debüt »Ausweitung der Kampfzone« (1994) muss sich Houellebecq als »Skandalautor« betiteln lassen, und das bloß, weil er die wahrscheinlich schneidigsten und konsequentesten Zerstörungsphantasien der westlichen Dekadenzgesellschaft zwischen zwei Buchdeckel presst. Weiterlesen

Es geht los, wie kein Buch über eine deutschsprachige Rockband beginnen sollte: mit der CDU. Kanzlerin Angela Merkel hat gerade bei Campino angerufen, sich für die fürchterliche Cover-Version des »Toten Hosen«-Hits »Tage wie diese« nach dem Wahlsieg 2013 entschuldigt und die ultraerfolgreiche Komposition der Band gelobt: »Sie haben da so ein schönes Lied geschrieben.« Für die »Toten Hosen« ist dieser Anruf ein großes Problem, schließlich versteht sich die Band doch als Punk-Rock-Gruppe mit linkem Hintergrund, die einstmals gar außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses musizierte. 2013 ist das jedoch vergessen: »Die Toten Hosen« werden auf dem Oktoberfest gefeiert, Jungliberale tragen T-Shirts mit Songzitaten, die Kanzlerin lobt nun die Musik. Weiterlesen

Schon klar, ist ja Fußball-WM. Da liest man wenig/kaum/nicht.
Was natürlich Quatsch ist, weil in wenigen Tagen die Meisterschaft im Wettlesen am Wörthersee ausgetragen wird, und die will vorbereitet sein.
Wir haben unsere Ländereien in diesem Jahr voll und ganz auf Senthuran Varatharajah und Karen Köhler gesetzt. In der Hoffnung auf ein Königreich.
Los geht’s am Donnerstag, 03. Juli, von 10 Uhr an.
(Unsere Vuvuzelas stehen parat.)

In der Schule wurde »Im Westen nichts Neues« von Erich Maria Remarque gelesen und wir wunderten uns: Wieso zogen unsere Urgroßväter einst freiwillig in den Krieg? Mein Großvater wusste die Antwort, doch statt sie zu sagen, mir von seinem eigenen Vater zu erzählen, drückte er mir ein Buch in die Hand: »In Stahlgewittern« von Ernst Jünger. Weiterlesen

Heimlich, leise, beinahe lautlos entziehen die Gedichte von Stephan Reich dem Leser den Boden unter den Füßen. Es geht da um »aokigahara«, einen Selbstmörderwald in Japan. Es geht um »tunguska«, einen Fluss in Sibirien, an dem 1908 eine Reihe bis heute ungeklärter Explosionen stattfand. Es geht um die »havel«, in der Georg Heym beim Schlittschuhlaufen ertrank. Und es geht um »everest«, den großen Berg, an dessen Hängen über 200 Tote für die Ewigkeit gefangen sind.

Stephan Reich, 1984 in Kassel geboren, lotet in seinen kühlen Gedichten, in seinem Debüt-Band »Everest« all jene Orte aus, an denen der Mensch versagt, scheitert, zerbricht.
Es sind klare Mitteilungen, einfache Feststellungen, gehalten in transparenter Sprache, in einer schwermütigen Melodie – und doch entwickeln diese Gedichte eine eigenwillige Wärme, einen ungeheuren Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Weiterlesen

Die Leipziger Buchmesse naht und damit der einhergehende notorische Preis. Letztes Jahr wurde David Wagners »Leben« zu Recht abgefeiert. In diesem Jahr sind die Vorzeichen anders, gefährlich:
Martin Mosebach ist mit seinem wellenschlagenden Roman »Das Blutbuchenfest« nominiert.
Umso mehr drücken wir dem Debütanten Fabian Hischmann und seinem Roman »Am Ende schmeißen wir mit Gold« die Daumen, wie auch Saša Stanišić für »Vor dem Fest«. Weiterlesen

Das Grauen kommt leise, behutsam, mit Fotografien und zarten Sätzen, ein Tasten in Erinnerungen – und am Ende steht die Selbstauslöschung. W. G. Sebalds Erzählsammlung »Die Ausgewanderten« wurde erstmals 1992 veröffentlicht und wirbelte viel Staub auf. Wie kein zweiter Autor spürte Sebald in seinen Werken die »Schmerzenspuren der Geschichte« auf, die Verbrechen an der Menschlichkeit. Und er klagte im Jahre 1997 in einem wellenschlagenden Essay an, dass die Kriegstraumata und die Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs bisweilen ungenügend literarisch dargestellt wurden. Weiterlesen

Marcel Reich-Ranicki (* 2. Juni 1920; † 18. September 2013)

Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug
und keiner weiß, wie weit. Weiterlesen

War ja klar, dass J. D. Salinger noch was auf Lager hat, der große Verweigerer, die Zunge der ewigen Adoleszenz. Wie sein Biograf Kenneth Slawenski kürzlich verlauten ließ, werden von 2015 an mindestens fünf Werke aus dem Nachlass des 2010 verstorbenen Legenden-Erschaffers veröffentlicht.

Von Familie Caulfield soll es Neuigkeiten geben und auch von Familie Glass. Klingt zu schön um wahr zu sein! Und unverhofft: Die letzte von Salinger veröffentlichte Geschichte geht auf das Jahr 1965 zurück: »Hapworth 16, 1924«, veröffentlicht im US-Magazin »New Yorker«.

Aber man hätte es ja auch ahnen können: »You can’t stop a teacher when they want to do something. They just do it.« (The Catcher in the Rye, 1951).

Die Liste ist da. Und was für eine: Neben Schwergewichten wie Daniel Kehlmann, Reinhard Jirgl, Uwe Timm und Clemens Meyer hat der Schweizer Schriftsteller Jonas Lüscher mit seinem grandiosen Debüt-Roman „Frühling der Barbaren“ die Longlist des Deutschen Buchpreises 2013 geentert. Zurecht. Wir drücken ihm die Daumen.

Am 11. September geht’s in die nächste Runde. Solange lesen wir uns noch an Roman Ehrlichs grandiosem Debüt „Das kalte Jahr“ fest. Denn das vermissen wir schmerzlich auf dieser langen Liste. Weiterlesen

David Wagner veröffentlichte im Februar 2013 seinen autobiografischen Roman »Leben«, für den er im März mit dem prestigeträchtigen Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Der Roman erzählt von einem Patienten, der im Krankenhaus auf eine Spenderleber wartet. »Leben« ist eine zarte Novelle, voller Witz und Sehnsucht.

Der Autor im Interview über Wunden, triviale Lebensweisheiten und die Suche nach dem Ich. Weiterlesen