Yoko Ogawas Roman »Schwimmen mit Elefanten« erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen, der die Ästhetik des Schachspiels für sich entdeckt. Durch einen Zufall begegnet er seinem Sensei, seinem Meister: Ein ehemaliger Busfahrer von enormer Leibesfülle, der sich aus einem ausrangierten Bus ein Heim erschaffen hat, in dem er dem Jungen jeden Tag nach der Schule zum Schachspielen empfängt. Weiterlesen

Buchpiraten unter sich

Es ist nicht so, dass alles auf der Welt besser würde, wenn die Leute mehr lesen, es kommt schon drauf an, was wir lesen.
– Denis Scheck

Im Herbst nach Frankurt, nach Leipzig, wenn der Frühling grünt, so lautet die Devise des deutschen Buchmarktes und so lauteten auch die Vorsätze der Octopus-Redaktion. Zum ersten Mal besuchten wir die Messe im Paris Ostdeutschlands, um im Auftrag des investigativen Online-Journalismus neue Freunde und alte Bekannte wiederzutreffen, vor allem aber um eine Frage zu beantworten: Ist die Leipziger Buchmesse wirklich besser/angenehmer als die wundervolle, herrliche, uns jedes Jahr aufs Neue in den Wahnsinn treibende Frankfurter Buchmesse? Weiterlesen

Er war neben M. Agejews „Roman mit Kokain“ wohl die fantastischste (Wieder-) Entdeckung des Jahres 2013: Sein im Hanser-Verlag erschienener, neu übersetzter Roman „Das Phantom des Alexander Wolf“ überzeugte Liebhaber wie Kritiker der russischen Exilliteratur gleichermaßen. Der Name Gaito Gasdanow ist insofern also Programm. Nun erscheint – ebenfalls bei Hanser – sein zweiter Streich, wobei es eigentlich vielmehr der erste ist, denn „Ein Abend bei Claire“ war das Erstlingswerk des stillen Russen. Zur Jahreswende 1929/30 veröffentliche der damals Sechsundzwanzigjährige jenes Werk, das ihn mit einem Schlag vom hungerleidenden Taxifahrer und Essaisten zum gefeierten Exilliteraten beförderte, der im selben Atemzug wie Vladimir Nabokov genannt werden sollte. Weiterlesen

Heimlich, leise, beinahe lautlos entziehen die Gedichte von Stephan Reich dem Leser den Boden unter den Füßen. Es geht da um »aokigahara«, einen Selbstmörderwald in Japan. Es geht um »tunguska«, einen Fluss in Sibirien, an dem 1908 eine Reihe bis heute ungeklärter Explosionen stattfand. Es geht um die »havel«, in der Georg Heym beim Schlittschuhlaufen ertrank. Und es geht um »everest«, den großen Berg, an dessen Hängen über 200 Tote für die Ewigkeit gefangen sind.

Stephan Reich, 1984 in Kassel geboren, lotet in seinen kühlen Gedichten, in seinem Debüt-Band »Everest« all jene Orte aus, an denen der Mensch versagt, scheitert, zerbricht.
Es sind klare Mitteilungen, einfache Feststellungen, gehalten in transparenter Sprache, in einer schwermütigen Melodie – und doch entwickeln diese Gedichte eine eigenwillige Wärme, einen ungeheuren Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Weiterlesen

Die Leipziger Buchmesse naht und damit der einhergehende notorische Preis. Letztes Jahr wurde David Wagners »Leben« zu Recht abgefeiert. In diesem Jahr sind die Vorzeichen anders, gefährlich:
Martin Mosebach ist mit seinem wellenschlagenden Roman »Das Blutbuchenfest« nominiert.
Umso mehr drücken wir dem Debütanten Fabian Hischmann und seinem Roman »Am Ende schmeißen wir mit Gold« die Daumen, wie auch Saša Stanišić für »Vor dem Fest«. Weiterlesen

Welchen Geschmack hat Zynismus? Und welche Farbe besitzt Desillusionierung?

In Anna Kordsaia-Samadaschwilis »Ich, Margarita« erwartet man zunächst keine der beiden Stimmungen. Auf dem Cover zeigt eine junge Frau beim rasanten Radschlagen (oder beim Breakdance, so genau kann man das nicht sagen) ihren Bauchnabel. Dieses Bild, in Verbindung mit dem selbstbewussten, ein wenig frechen Titel, erweckt sofort den Eindruck, man lese einen der inzwischen in Mode gekommenen »Verlorene Jugend/ Adoleszenz /Coming of Age-Romane«, wie es sie letztes Jahr zahlreich zu bewundern gab (Man denke zurück an Roman Ehrlichs »Das kalte Jahr« oder Lisa Kränzlers »Nachhinein«). Weiterlesen

Das Jahr 2014 ist nicht nur das Internationale Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft, in den kommenden zwölf Monaten wird der Beginn des Ersten Weltkriegs genau 100 Jahre alt. Das ist Anlass zum Gedenken an die vielen Menschen, die damals und seitdem in Kriegen überall auf der Welt sterben mussten, Anlass für Politiker, die tiefe Verbundenheit zu beteuern, die inzwischen in Europa herrscht, und Anlass für die Verlage, Bücher zu verkaufen. Beinahe jeder große Verlag, dessen Programm auch nur annähernd in die Bereiche Sachbuch oder Belletristik reicht, veröffentlicht dieses Jahr einen Titel über den Ersten Weltkrieg, sei es ein Fotoband, eine Chronik oder ein Feldküchen-Kochbuch. Bei dieser enormen Menge an Publikationen fällt es dem geneigten Leser natürlich schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen, deshalb werden im Folgenden die zwei wohl informativsten Werke vorgestellt. Weiterlesen

»Blexbolex-Brikett«, so nennt die Moderatorin des Deutschlandradios im Gespräch mit Rezensentin Sylvia Schwab das Buch mit dem schlichten Titel »Ein Märchen« – der neueste Streich des in Leipzig lebenden französischen Autors und Illustrators Blexbolex. Anlass für diese Bezeichnung liefert das ungewöhnliche Format des 240 Seiten starken und etwa zehn mal zehn Zentimeter kleinen Buches, das wie ein Backstein in der Hand liegt.

Und nein, es beginnt natürlich nicht wie ein klassisches Märchen beginnen würde, die typische Einleitungsphrase à la »Es war einmal…« sucht man hier vergebens. Stattdessen kündigt eine kurze Inhaltsangabe an, was den Leser erwartet:

Diese märchenhafte Geschichte erzählt davon, was einem Kind Tag für Tag nach der Schule auf dem Nachhauseweg begegnet, und wie seine kleine Welt dabei auf einmal riesig groß wird.

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Zugegeben: Wir sind Fans von T.C. Boyle. Immer schon. Und die Freude war riesig, als wir zum Interview nach Stuttgart eingeladen wurden, um den Meister der Short- und Longstory dort zum angenehmen Plausch zu treffen. Schön war’s! Klar auch, dass wir unser diesjähriges Gewinnspiel mit dem neuesten Roman von T.C. Boyle abschließen, der in seiner dunkel-glitzernden Robinsonade »San Miguel« zwar nicht so viel Zynismus versprüht, dafür aber eine wundervolle Inselsaga spinnt. Weiterlesen

Die Kurzgeschichte hat es nicht leicht in Deutschland. Vergangen sind die Tage der Gruppe 47, vorbei die Ära von E.T.A. Hoffmann bis Heinrich Böll. Vereinzelt schaffen es noch Bände mit Erzählungen in die öffentliche Aufmerksamkeit, beispielsweise »Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes« von Clemens J. Setz im Jahr 2011, aber ansonsten steht die traurige Tatsache seit einiger Zeit fest: Die Kurzgeschichte ist – neben der Lyrik – das schwierigste Terrain im deutschen Buchmarkt, vor allem für junge, unbekanntere Autoren. Weiterlesen

Love Love Love! Passend zum Fest der Liebe verschenken wir in Runde drei unseres Gewinnspiels einen Liebesroman der besonderen Art. In »Untitled« von Popliteraturveteran Joachim Bessing verliebt sich ein erfolgreicher Modejournalist mit Haut und Haaren in eine schöne Fremde. Sie küssen sich, tauschen Nummern, küssen sich wieder und schon bald dreht sich seine Welt nur noch um Julia Speer, was weitreichende Folgen hat. »Julia ist das Erste, was mir sozusagen vorschwebt, wenn ich aufwache, und Julia ist das Letzte, wenn ich in die Besinnungslosigkeit hinübergleite.« Ein Roman über Liebe, Wahnsinn und den schmalen Grat dazwischen. Weiterlesen

Mehr als fünfhundert Autorinnen und Autoren aus aller Welt haben sich einem Aufruf gegen die schrankenlose Überwachung angeschlossen. Hintergrund sind die Enthüllungen der jüngsten Zeit über die Machenschaften der Geheimdienste.
»In den vergangenen Monaten ist ans Licht gekommen, in welch ungeheurem Ausmaß wir alle überwacht werden. Mit ein paar Maus-Klicks können Staaten unsere Mobiltelefone, unsere E-Mails, unsere sozialen Netzwerke und die von uns besuchten Internet-Seiten ausspähen. Sie haben Zugang zu unseren politischen Überzeugungen und Aktivitäten, und sie können, zusammen mit kommerziellen Internet-Anbietern, unser gesamtes Verhalten, nicht nur unser Konsumverhalten, vorhersagen.« Weiterlesen