4 Bände sind bereits von Karl Ove Knausgårds 6-Teiligem umstrittenen Mammut-Projekt in deutscher Übersetzung erschienen. Im September wird mit „Träumen“ nun Band 5 erhältlich sein. Zu diesem Anlass wirft das Octopus-Magazin einen Blick auf die vorherigen Titel – eine Retrospektive. Hier: Band 1 »Sterben«.


Gut ist, wenn Kunst polarisiert. Wenn sie streitbar wird, Auslöser einer Debatte ist, ja eine Meinung provoziert. Knausgård hat mit seiner autobiographischen Reihe erreicht, dass man über sein Schaffen diskutiert. Und das in ungewohntem Ausmaß, wo doch das Feuilleton sich mehr der Politik verschrieben hat, als der Kultur. Aber wer in Norwegen etwa 500.000 Exemplare verkauft, in einem Land, das ca. 5 Millionen Einwohner aufweist, und auch in den Vereinigten Staaten ein Hit ist, dem ist Aufmerksamkeit gewiss. Und das ist gut so.

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lärm und wälderDie Angst ist in diesem Roman allgegenwärtig. Und haben die Bewohner dieser unheilvollen Orte nicht allen Grund sich zu fürchten? Um sie herum herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Überfälle und Sabotageakte sind an der Tagesordnung, die staatliche Ordnung wird mit jedem Tag brüchiger. Juan S. Guses »Lärm und Wälder« erzählt von einer Welt, in welcher der Ausnahmezustand längst zur Normalität geworden ist, wo Furcht und Paranoia ständige Begleiter sind. Es ist eine Welt am Abgrund, in der sich das saturierte Bürgertum hinter meterhohen Mauern und Stacheldrahtzäune verschanzt, bewacht von der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten. Aus Angst vor denen, die nichts haben, haben sich die Besitzenden mit ihrem ganzen Hab und Gut an die letzten vermeintlich sicheren Orte zurückgezogen. Doch die Einschläge kommen immer näher. Weiterlesen

9783423280570Wer kennt sie nicht aus Kindertagen? Die großformatigen, bunten, lebendigen, schier unerschöpflichen und mit einem leisen Humor versehenen Bildwelten Ali Mitgutschs, der als Erfinder des sogenannten Wimmelbilderbuches gilt. Heute ist sein 80. Geburtstag – wir gratulieren. Und sind neugierig geworden.

Ali Mitgutsch wurde am 21. August 1935 in München geboren. In zahlreichen Interviews beschreibt er seine Kindheit als nicht besonders glücklich, bisweilen sogar als »beschissen« (Jan Pfaff: In einer eigenen Welt). Er wuchs als jüngstes Kind in einer siebenköpfigen Familie auf, die während des Zweiten Weltkriegs aus der Münchner Maxvorstadt zunächst in den Bayerischen Wald und später ins Allgäu evakuiert worden ist, wo er, das Stadtkind, ein Außenseiter war. Weiterlesen

9783462309874_10Was Michel Houellebecq im Januar 2015 präsentierte, wurde heiß diskutiert – über das Feuilleton hinaus, in aller Öffentlichkeit. Literatur war plötzlich wieder eine Autorität, auch, oder gerade weil »Unterwerfung« vorgeworfen wurde, der Roman schüre Ängste sowie Hass gegenüber den Muslimen. Da hatte ein Buch angeblich Position bezogen, was im gegenwärtigen Literaturbetrieb nicht allzu oft geschieht.

Dass der beschworene Konflikt blitzartig seinen Gipfel erreichte, nur in einer dem Roman gegenläufigen Richtung, nämlich in Form des Terroranschlags auf das Satiremagazin »Charlie Hebdo«, konnte Houellebecq nicht ahnen und doch kam es zu diesem unheimlichen Moment: Literatur und Realität gerieten unheilvoll in Mixtur – ein Bestseller wäre es dennoch ohnehin geworden. Weiterlesen

Als hippe Alternative zum Hotlist+2015+Logodoch eher  staatstragenden Deutschen Buchpreis hat sich die Hotlist in den letzten Jahren einen Namen gemacht. Die Idee dahinter ist simpel, aber grundsympathisch: Prämiert werden über alle Genregrenzen hinweg die zehn besten Bücher aus unabhängigen Verlagen. Und so funktioniert’s: Aus allen Einreichungen (in diesem Jahr: 171!) wählt eine Jury vorab dreißig Kandidaten aus und bestimmt im Anschluss wiederum sieben Titel, die es auf die Hotlist schaffen. Drei weitere Bücher werden via Online-Abstimmung ermittelt. Weiterlesen

enjoy140 Zeichen hat der User auf »Twitter« zu Verfügung, um zu kommunizieren. Die Folge: extrem verdichtete Satzkonstruktionen, Bedeutungsverschiebungen und grammatikalische Katastrophen. Die getippte Sprache büßt in sozialen Netzwerken ihre Funktion ein und wird sich über kurz oder lang der Übermacht des bewegten Bilds geschlagen geben müssen. Die Verlinkung eines Videos ist die Sprache der Zukunft. Was tun?, fragt sich der Nostalgiker.

Liebhaber des gedruckten Worts wie Solange Bied-Charreton können nur eines tun: Literatur produzieren, die auf Gefahren der Digitalisierung hinweist. Denn nicht nur die Sprache verändert sich, auch der Nutzer, ja der Mensch, unterliegt einer Entwicklung, die ihn zum »digital native« werden lässt. Eine gern und häufig verwendete Bezeichnung in den Lebensläufen dieser Tage. Doch ist »digital native«-sein erstrebenswert? Was bleibt auf der Strecke, wenn das Virtuelle zum Lebensraum wird?

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csm_9783550081163_cover_da807d03caEs war dem Verlag offensichtlich ein reißerisches Anliegen, Titel und Untertitel des Essays von Slavoj Žižek auszutauschen. Aus »Islam and Modernity: Some Blasphemic Reflexions« wurde »Blasphemische Gedanken. Islam und Moderne«. Man muss jedoch betonen, dass es dem slowenischen Philosophen hier nicht darum geht, zu provozieren (zumindest nicht mehr als sonst) oder zu polemisieren (macht er sowieso). Žižek nimmt den Anschlag auf die französische Satirezeitung Charlie Hebdo zum Anlass, die grundsätzlichen Unvereinbarkeiten von Christentum und Islam genealogisch zu untersuchen, und das im gegenwärtigen Klima von Bestürzung und Emotionalisierung. Also doch blasphemisch.

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0,,18550103_303,00Zum stolzen 39. Mal geht es in Klagenfurt um 25.000 Euro. Oder besser: um die Krönung zum Bachmannpreis-Preisträger. Dabei ist nicht nur das Alter dieser Veranstaltung beachtenswert, sondern auch das Wie. Vier Tage werden hier unveröffentlichte Texte von 14 Teilnehmern gelesen, die Reihenfolge gelost und direkt durch eine Jury kommentiert. Dieses Feedback ist aber bisher etwas verhalten ausgefallen. Auf Katerina Plodajans Text »Es ist weit bis Marseille«, in dem eine Frau nach dem Tod ihres Mannes mit einem Fremden ins Bett geht,  folgte ein »Das ist zu viel für ein bisschen Sex.«, vom neuem Jury-Vorsitzenden Hubert Winkels. Auf Saskia Henning von Langes Text »Hierbleiben« − hier flieht der Protagonist vor der Schwangerschaft seiner Partnerin − sah Winkels »eine Tendenz zur Langeweile« und seine Kollegin Hildegard Elisabeth Keller nahm ihr den »Exodus eines Schwangerschaftfeindes« schlichtweg nicht ab.

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Sjón ist Isländer und schrieb mal Liedtexte für Björk. Eines dieser Lieder fand oscarnominiert Platz in Lars von Triers Film »Dancer in the Dark«. Das ist, was in den meisten Pressetexten über diesen Autor zu lesen ist. Island, Björk und Lars von Trier: eine flackernde Kombination. Das Interesse ist geweckt, es kribbelt unter den Fingernägeln. Aber braucht es diese Vorschusslorbeeren, um Sjóns »Der Junge, den es nicht gab« an den Leser zu bringen?

Island hat ja neben der Pop-Diva eine Handvoll weiterer Ausnahmetalente hervorgebracht, die international Anerkennung erhalten. Sigur Rós beispielsweise. Eine Band, die für Zuhörer außerhalb Islands in nahezu unverständlicher Sprache musiziert, und trotzdem die großen Hallen regelmäßig füllt. Ein Phänomen – wie  Björk eben. Und Sjón? Der kann locker mithalten. Weiterlesen

Marina Keegan Das Gegenteil von EinsamkeitWenige Tage nach ihrer Abschlussfeier starb die Yale-Absolventin Marina Keegan bei einem Autounfall. Sie wurde zweiundzwanzig Jahre alt. So weit das, was alle schreiben und was zu wiederholen ein gewisses Unbehagen bereitet. Ein Unbehagen nicht aufgrund der unzweifelhaften Tragik der Ereignisse, sondern aufgrund ihrer vehementen Zurschaustellung. Unweigerlich drängt sich der Eindruck auf, dass dem Verlag und manchen Medien offenbar mehr daran gelegen ist, den Tod der Autorin als deren Texte zu vermarkten. Dass es eher um Betroffenheit und Voyeurismus geht als um Literatur. Aber kann das verwundern? Und soll man Marina Keegans frühen und plötzliche Tod stattdessen in einem Nebensatz abhandeln oder gar verschweigen? Denn schließlich ist »Das Gegenteil von Einsamkeit«, dieser postum veröffentlichte Band mit Stories und Essays, ihr Vermächtnis − warum ihn also nicht auch als solches lesen?  Weiterlesen

9783462047202_10Wir leben in wirren Zeiten. Die Welt scheint nur noch aus Konflikten zu bestehen, unsere Telefone werden abgehört und dieser eine bestimmte Freund hört nicht auf, uns Spieleanfragen auf Facebook zu schicken. Hinter uns liegt eine Vergangenheit, zur der wir uns nicht mehr zugehörig fühlen, vor uns eine Zukunft, die wir nicht kennen. Aber zumindest bei letzterem kann Abhilfe geschaffen werden, mit jenem Genre, das bereits seit Jules Verne die Ungewissheit der kommenden Jahre als Nährboden nutzt: Die Science Fiktion. Was liegt also näher, als die Welt erst einmal Welt sein zu lassen, die Füße hochzulegen und einen der neueren Vertreter jenen Genres in die Hand zu nehmen? „Planet Magnon“ ist ein solcher, ein kurzer Blick auf den Verfasser sorgt allerdings für Erstaunen: Der junge Autor Leif Randt sorgte in den letzten Jahren durchaus für einiges Aufsehen, als Schreiber von Science Fiction ist er (bisher) jedoch noch nicht in Erscheinung getreten. Weiterlesen

CoverJan Wagner schreibt Lyrik. Er ist Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse 2015 in der Kategorie Belletristik und damit der erste Dichter, der diese Auszeichnung erhielt. »Regentonnenvariationen« heißt sein Werk, welches die Jury und viele Leser offenbar begeistert, über die Liebe zum unscheinbaren Detail plötzlich den großen Themen ganz nah zu sein. »Jede Schwiele wird unter deiner Lupe so pompös wie eine Kirchenkuppel.« (nach Canaletto) Weiterlesen