0,,18550103_303,00Zum stolzen 39. Mal geht es in Klagenfurt um 25.000 Euro. Oder besser: um die Krönung zum Bachmannpreis-Preisträger. Dabei ist nicht nur das Alter dieser Veranstaltung beachtenswert, sondern auch das Wie. Vier Tage werden hier unveröffentlichte Texte von 14 Teilnehmern gelesen, die Reihenfolge gelost und direkt durch eine Jury kommentiert. Dieses Feedback ist aber bisher etwas verhalten ausgefallen. Auf Katerina Plodajans Text »Es ist weit bis Marseille«, in dem eine Frau nach dem Tod ihres Mannes mit einem Fremden ins Bett geht,  folgte ein »Das ist zu viel für ein bisschen Sex.«, vom neuem Jury-Vorsitzenden Hubert Winkels. Auf Saskia Henning von Langes Text »Hierbleiben« − hier flieht der Protagonist vor der Schwangerschaft seiner Partnerin − sah Winkels »eine Tendenz zur Langeweile« und seine Kollegin Hildegard Elisabeth Keller nahm ihr den »Exodus eines Schwangerschaftfeindes« schlichtweg nicht ab.

Applaus und ein »Sie packt uns mit hinein« erntete dagegen Nora Gomringer mit ihrem Text »Recherche«. Doch ob das eher an der hörspielartigen Performance lag oder wirklich am Text, stellte Jurymitglied Klaus Kastberger gleich in Frage.
(Auf www.3sat/bachmannpreis.de könnt ihr alle Lesungen finden und die Veranstaltung live mit verfolgen.)

Eine Problematik, die gerade in diesem Jahr auffällt, denn um den 39. Bachmann-Preis ringen neben Dramatikern, Autoren auch Schauspieler und Musiker. Eine bunte Mischung, die nach Winkels eher zufällig entstanden ist. Also hört und sieht die Jury die Autoren ihre Texte performen, während sie eigentlich den reinen Text bewerten soll. In Zukunft wird man sich wohl der Frage stellen müssen, ob die Philologen nicht auch die Textdarstellungen in ihre Kritik einbeziehen müssten.
(Hier findet ihr ein ausführliches Interview mit Jury-Vorsitzender Hubert Winkels)

Während der 39. Bachmannpreis sich solchen Performanz-Fragen nähert, bleibt er von einer Diskussion eher unberührt. Seit einer Woche ist auf Perlentaucher ein hitziges Wortgefecht zum klassischen Feuilleton entbrannt. Auslöser: Wolfram Schüttes Beitrag zur Debatte  »Zukunft der Kritik«. Hier thematisiert er die allgemeine Sorge um einen Bedeutungsverlust  der Kritik (von Literatur oder auch Film) bei – noch gelesenen –  Zeitungen  und präsentiert seine Skizze eines digitalen Zeitungsprojekts. Kämpferisch auf den Namen Fahrenheit  451 getauft. Eine kostengünstige, zeitungsähnliche, digitale Plattform  mit einer jungen Kernmannschaft und freien Mitarbeitern. Sein Gemeinschaftsprojekt soll ein sich selbst redigierender, zentraler Umschlagbahnhof für alle literarischen Waren sein. Was das von anderen Blogs unterscheidet? Nach Schütte:

A) dass es alle journalistischen Formen als digitalisierte Zeitung bietet & die Rezensionen nur eine Form unter anderen ist. B) dass auf ein kontinuierliches Interesse seiner Leser für alle Formen des Literarischen setzt, also nicht bloß auf das punktuelle, zielgerichtete, temporäre Interesse an diesem oder jenem Buch oder Thema. C) dass seine Notwendigkeit für den Leser & die Kontinuität seines (partiellen, aber regelmäßigen) Lebens mit Büchern & deren Lektüre als ein existenzielles Medium begreifbar wird., das ihn anregt, stützt & befördert. D) weil es als »Zentralpark« für die Präsentation der (weiterhin) vielfältigen Verlagsprogrammes ist. E) Von hieraus wird zu allen anderen literarischen Blogs & Website verlinkt, die sich der Literatur widmen. F) Wer über Fahrenheit ein Buch bestellt, kann es sowohl über eine angegliederte Institution, die nicht Amazon ist, beziehen oder über eine ihm genehme oder nächste Buchhandlung.

Ein Projekt, bei dem Alexander Kluge schon mal dabei wäre! Die anderen zweifeln noch…

Wir sind auf jeden Fall gespannt, was dieser Debatte entspringt und werden berichten.

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