houllebecqEr sieht müde aus und ziemlich ausgezerrt. Ein kleines Männchen, mit wirrem Haar und faltigem Hemd. Michel Houellebecq hat harte Zeiten hinter sich, ach, eigentlich waren sie schon immer hart: Seit seinem Debüt »Ausweitung der Kampfzone« (1994) muss sich Houellebecq als »Skandalautor« betiteln lassen, und das bloß, weil er die wahrscheinlich schneidigsten und konsequentesten Zerstörungsphantasien der westlichen Dekadenzgesellschaft zwischen zwei Buchdeckel presst. Seit also jenem Debüt von 1994 muss Houellebecq von Veröffentlichung zu Veröffentlichung auf den Wogen der Empörung surfen. Er macht das mit beeindruckender Lässigkeit, gleichwohl sich die Anfeindungen in den tiefen Falten seines Gesichtes ablesen lassen.

»Und das wäre schon alles; fortan wäre ich ein Muslim.«

Besonders krass schlugen die Wellen nun in diesem Januar über den Schriftsteller zusammen, als drei Barbaren mordend durch Paris zogen, um ihren Propheten zu rächen. Es war der Tag, als die Satire-Zeitschrift »Charlie Hebdo« eine Karikatur des Schriftstellers auf ihrem Titel platzierte, als Ritterschlag für seinen neuesten Roman »Unterwerfung«. Jenes Buch spielt im tristen Frankreich des Jahres 2022, das Land steht vor dem Kollaps, auf den Straßen brennen nicht nur die Mülleimer. Ben Abbès, Vorsteher einer gemäßigten muslimischen Partei, wird von den Franzosen zum Präsidenten gewählt, in Paris schlagen sich Dschihadisten und Identitäre die Köpfe ein, Frauen müssen nun Kopftuch tragen.

Houellebecq hat aus dieser simplen und denkbaren Zukunftsvision eine knisternde Politik-Satire gezimmert, die nicht wegen ihrer sprachlichen Finesse, sondern tatsächlich ausschließlich wegen ihres Inhalts manche Menschen um den Schlaf zu bringen scheint.
Kaum hatte sich der lapidare Klappentext des Romans im Internet verbreitet, flammten die Diskussionen auf. Das ausgerechnet in den Tagen der Veröffentlichung des Romans jene islamistisch motivierten Mörder loszogen, um Journalisten zu töten, gab der Diskussion um das Buch perverserweise einen zusätzlichen Dreh.

Kein Wunder, schließlich geht es in »Unterwerfung« um nichts weniger als um die Freiheit. Und da will jeder mitsprechen, da will jeder seiner ganz eigenen Paranoia bestätigt sehen. Houellebecq trifft mit diesem schmalen Büchlein ins Herz des Zeitgeistes. Es ist sein bisher bestes Buch; es ist rasant und deftig, es gibt eindringliche Sexszenen und einen kraftlosen Protagonisten. Also alles wie immer, bei Houellebecq. Und doch ist nach der Veröffentlichung dieses Romans die Welt eine andere.

Michel Houellebecq: Unterwerfung. Aus dem Französischen von Norma Cassau und Bernd Wilczek. DuMont: Köln 2015.
  

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