cover_8446In »Mythen. Mutanten.« kreiert Simon Werle acht Stücke im antiken Kontext. Sie sind dynamische Lückenfüller, übersetzt in eine moderne Sprachpoetik mit tragischer Substanz. Vergangenen Herbst ist die Sammlung im Verlag der Autoren erschienen. Laut dem Kulturtheoretiker und Ägyptologen Jan Assmann sind Mythen kulturelle Muster, an denen die Menschen ihr Handeln orientieren und in deren Licht sie die Welt verstehen. Sie sind unser kulturelles Erbe, die mythologische Imagination ist über Generationen eine Inspirationsquelle − nicht nur für Künstler und Künstlerinnen, Philosophen und Philosophinnen, Psychologen und Psychologinnen.

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houllebecqEr sieht müde aus und ziemlich ausgezerrt. Ein kleines Männchen, mit wirrem Haar und faltigem Hemd. Michel Houellebecq hat harte Zeiten hinter sich, ach, eigentlich waren sie schon immer hart: Seit seinem Debüt »Ausweitung der Kampfzone« (1994) muss sich Houellebecq als »Skandalautor« betiteln lassen, und das bloß, weil er die wahrscheinlich schneidigsten und konsequentesten Zerstörungsphantasien der westlichen Dekadenzgesellschaft zwischen zwei Buchdeckel presst. Weiterlesen

1071_01_SU_Coupland_SpielerEins.inddTreffen sich vier Menschen in einer lausigen Flughafenbar: Karen ist Mutter einer Tochter im Teenageralter, alleinstehend und wünscht sich nichts sehnlicher als einen Mann an ihrer Seite. Dem Internet sei Dank lernt sie Warren kennen und fliegt für ihn sogar bis ans andere Ende des Kontinents. Doch der erhoffte Traumtyp entpuppt sich als »Kampfzwerg mit einer Fliegersonnenbrille, die ihn wie einen Serientriebtäter aussehen lässt«. Da hat Barkeeper Rick schon bessere Chancen, obwohl auch er keine Musterbiographie vorzuweisen hat. Nach verschiedensten Rückschlägen und Niederlagen lässt er vom Alkohol vorübergehend die Finger und erwartet Rettung von Leslie Freemont, der seinen deprimierten Klienten für tausende Dollar ein so genanntes »Power Dynamics Seminar System« andreht. Weiterlesen

Boyle_24737_MR.inddEs gibt viele Gründe, T. C. Boyle zu lesen. Und trotzdem fällt es schwer, zu beschreiben, welche Art von Geschichten er erzählt. Auf den ersten Blick wirkt das gewaltige Konglomerat aus kurzen Erzählungen und Romanen mit den verschiedensten Strömungen und Themen durchwachsen, ein heterogenes Gestrüpp der unterschiedlichsten literarischen und politischen Epochen. Doch je näher man die einzelnen Geschichten betrachtet, je näher man mit dem Objektiv des Lesers an die einzelnen Figuren heranrückt, um in beinahe voyeuristischer Manier ihr Schicksal zu betrachten, desto mehr wird ein roter Faden auffällig, eine Grundierung, die sich unter allem befindet. Natürlich variieren Setting und Handlung von Buchdeckel zu Buchdeckel, mal dreht es sich um den Erfinder der Frühstücksflocken, mal um Stuntmen und Marihuana-Bauern, und dennoch hat man bei der Lektüre immer den selben Geschmack im Mund, eine morbide Faszination am Unheil und die Gewissheit, dass es zu solchem kommen wird. Weiterlesen

kränzler lichtfang coverVielleicht muss man sich die Hölle auf Erden als ein schwäbisches Provinznest vorstellen. Die Einfamilienhäuser in Reih und Glied angeordnet, der Rasen im Vorgarten so akkurat gestutzt wie die Gedanken der Insassen hinterm Jägerzaun, allenthalben Stumpfsinn in den Herzen und den Hirnen.
Eine schauerhafte Tristesse, die man im besten Fall nur aus Romanen oder Filmen kennt, im schlimmsten aus eigener Erfahrung. Ein geistloses Niemandsland, das übrigens keineswegs zwischen Iller und Lech gelegen sein muss, sondern ebenso im Rest von Deutschland zu finden ist, und das sensible junge Menschen zwangsläufig in den Wahnsinn treibt. Junge Menschen wie Lilith und Rufus, das Protagonistenduo in »Lichtfang«, dem dritten Roman von Lisa Kränzer und ihrem ersten bei Suhrkamp. Weiterlesen

bartaberherzlichEs muss ja nicht immer Literatur sein. Oder?

Während sich der deutsche Buchmarkt innerhalb der letzten Jahre immer mehr in eine Art Selbstfindungskrise stürzt, scheinen bisher nur zwei Resultate als klare Folgen erkenntlich zu werden: Zum einen die Unterscheidung zwischen E(rnster)- und U(nterhaltungs)-Literatur, zum anderen der kometenhafte Aufstieg der sogenannten »Coffee Table Books«. Ersteres sollte mit viel Vorsicht genossen werden und bietet immer wieder Raum (und Bedarf) für hitzige Diskussionen, letzteres hingegen ist weitaus harmloser, erfordert jedoch auf Grund der massenhaften Ausbreitung früher oder später ein Auseinandersetzen mit dem Thema. Weiterlesen

Buch_Buchtitel_Bericht aus dem Inneren»Bericht aus dem Inneren« ist eine Expedition für Autor und Leser in eine ekstatische Vergangenheit. Das Werk ist 2014 im rowohlt-Verlag in Übersetzung von Werner Schmitz erschienen.

Ich lebe in der Gegenwart und in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit. Mein Freund Coetzee hat mal gesagt: Unsere Bücher sind vollgepackte Koffer, die wir am Straßenrand stehen lassen, während wir weiterreisen.

Es ist wohl der fünfte Roman, welchen man Memoiren oder – wie Herr Auster bevorzugt – autobiographische Schrift nennen könnte. Dabei ist das Werk das Pendant zum vorangegangen Werk »Winterjournal«, innerhalb dessen Auster über seinen äußerlichen Körper expressiv Schläge und Freuden des physischen Ichs wiederbelebt. »Bericht aus dem Inneren« ist nun die impressionistische Mobilisierung von inneren Kindheits- und Jugenderinnerungen. Weiterlesen

Es geht los, wie kein Buch über eine deutschsprachige Rockband beginnen sollte: mit der CDU. Kanzlerin Angela Merkel hat gerade bei Campino angerufen, sich für die fürchterliche Cover-Version des »Toten Hosen«-Hits »Tage wie diese« nach dem Wahlsieg 2013 entschuldigt und die ultraerfolgreiche Komposition der Band gelobt: »Sie haben da so ein schönes Lied geschrieben.« Für die »Toten Hosen« ist dieser Anruf ein großes Problem, schließlich versteht sich die Band doch als Punk-Rock-Gruppe mit linkem Hintergrund, die einstmals gar außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses musizierte. 2013 ist das jedoch vergessen: »Die Toten Hosen« werden auf dem Oktoberfest gefeiert, Jungliberale tragen T-Shirts mit Songzitaten, die Kanzlerin lobt nun die Musik. Weiterlesen

was ist ein ereignisSlavoj Žižek, das enfant terrible der Philosophie, meldet sich mit einem Paukenschlag zurück: „Was ist ein Ereignis?“ heißt das neue Buch, das in der Sachbuch-Abteilung des Fischer Verlags erscheint. Schon der Titel macht klar, dass es hier nicht um irgendwelche Haarspaltereien auf metaphysischer Ebene gehen soll, sondern um Grundsätzliches. Sollte der geneigte Leser sich bereits an dieser Stelle fragen: „Who the f*ck is Žižek?“, so findet er im Folgenden eine kleine Einführung:

Slavoj Žižek ist ein slowenischer Medienphilosoph, Kulturkritiker und Vertreter der Psychoanalyse von Jaques Lacan. Er liebt Filme von Alfred Hitchcock und David Lynch im selben Maße, wie er Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Martin Heidegger liebt. Seine häufig etwas unorthodox formulierten Thesen erlangen insofern enorme Bedeutung in der heutigen Zeit, als dass er sie nicht im Theoretischen belässt, sondern auf popkulturelle und gesellschaftliche Phänomene überträgt. Obgleich oftmals kritisiert, gilt Žižek inzwischen als der „Elvis der Kulturtheorie“ (The Chronicle of Higher Education). Weiterlesen

»Albuquerque« ist Florian Wackers erster Roman, eine Sammlung aus 14 Erzählungen und im September im mairisch-Verlag erschienen.

Der 34-jährige Autor ist studierter Heilpädagoge, ursprünglich Stuttgarter und lebt heute mit seiner Familie in Frankfurt am Main. Für seine Veröffentlichungen in diversen Literaturzeitschriften und Anthalogien hat er schon mehrere Preise gewonnen, darunter auch den 2.Platz des MDR-Literaturwettbewerbs 2010. In »Albuquerque« ist Bunge wie vom Erboden verschluckt, Andy beeindruckt mit einer Arschbombe die Dorfjugend des Dahlenberger Freibads und Frank, der Busfahrer entdeckt die Schönheit der Sonnenstrahlen. Wacker erzählt von Drehmomenten des Alltags und lässt dabei seinen Leser gerne mit herausfordernden Fragezeichen zurück. Weiterlesen

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Der Schauspielregisseur Michael Thalheimer hat seine Aktualität letztes Jahr im Frankfurter Schauspielhaus erneut bewiesen: Hans Falladas Werk »Kleiner Mann – was nun?« ist ein zeitloses Kapitalismus-Drama.

Tatsächlich spielt der Roman im Jahr 1930, Deutschland steckt mitten in der Wirtschaftskrise, der Arbeitsmarkt ist ein Ort der Ausbeutung und Erniedrigung. Weiterlesen

Summ, summ, summ,

Bienchen summ herum.

Kaum ein Roman auf der Frankfurter Buchmesse 2014 dürfte diesem altbekannten Kinderlied mehr entsprochen als das bei Klett-Cotta erschienene »Die Bienen« von Laline Paull, und das, ganz ohne ein Kinderbuch zu sein. Auch wenn eine Kurzversion des Plots Ähnlichkeiten mit Steve Parkers »Tagebuch einer Ameise« aufzuweisen scheint, so verbirgt sich doch viel mehr hinter der Geschichte von Flora 717. Diese ist eine Arbeiterbiene der unteren Kaste in einem Bienenvolk, dessen Stock in einem sommerlichen Obstgarten steht. Als sie schlüpft, heftet sich der Blick des Lesers an sie und verfolgt sie von nun an, während sie sich den Alltag ihrer Schwestern eingliedert. An dieser Stelle könnte das Buch bereits mit den klassischen »Und wenn sie nicht gestorben ist…«-Phrase enden. Tut es aber nicht, denn das Leben einer Biene ist bei weitem turbulenter, als man es vielleicht annehmen mag, besonders das von Flora 717. Ihr geschehen ohne Unterbrechung die wunderlichsten Dinge und schließlich beginnt sie auch noch, Eier zu legen. Im Bienenstock gerät die Welt aus den Fugen… Weiterlesen