Spätestens seit A. A. Milnes »Winnie-the-Pooh« weiß jedes Kind, was ein Ginsterbusch ist: Ein stacheliges, hinterhältiges Gewächs, in welches der Bär mit dem geringen Verstand am Ende seines Bienen-Abenteuers fällt.

Bei Siegfried Kracauers Protagonisten handelt es sich allerdings nicht um einen Busch, wie man vielleicht anfangs vermuten würde, sondern um einen Menschen. Ginster – man erfährt leider nie, ob dies ein Vor-, Nach- oder Spitzname ist – lebt während des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs in Deutschland, ist 25 Jahre alt und Architekt. Soweit lässt sich im Grunde der Inhalt des Romans zusammenfassen, der Rest ist Ausschmückung im Detail. Weiterlesen

romanmitkokainWem die Bücher des Manesse-Verlages bis jetzt zu klein, die Themen zu brav oder die Autoren zu lange tot gewesen sind, der kommt mit dem 2012 erschienenen »Roman mit Kokain« auf seine Kosten. Im Gegensatz zu richtigem Kokain bekommt man davon keine krumme Nasenscheidewand, wird aber süchtig (nach guter Literatur). Außerdem habt ihr die Möglichkeit, das Buch hier auf völlig legalem Weg umsonst zu bekommen, etwas, womit der Dealer eures Vertrauens nicht aufwarten kann. Alles was ihr tun müsst, ist diesen Beitrag zu kommentieren, hier oder bei Facebook, und mit ein bisschen Glück kommt Agejews Meisterwerk dann postwendend zu euch.

Das Verhältnis der Vereinigten Staaten von Amerika zum Erdöl ist eines der meist diskutierten Themen unserer Zeit. Angefangen bei den Kriegen, die unter dem Deckmantel der „Demokratisierung“ Öl fördernder Regime geführt wurden, über die Havarien, die zum größten Teil auf die Rechnung von Multikonzernen wie EXXON gehen, bis hin zu der höchst umstrittenen Methode des „fracking“, bei dem mit Hilfe von Chemikalien Erdöl und -gas an die Oberfläche gespült werden soll. Weniger prominent ist die Geschichte der US-Ölförderung im eigenen Land: Anfang des 20. Jahrhunderts fand in weiten Teilen Kaliforniens ein regelrechter Ölboom statt, was einerseits einen kleinen Teil der Bevölkerung, die damaligen Ölbarone, zu Millionären machte, den Rest der Beteiligten aber ins Elend stürzte. Inzwischen sind zwar knapp hundert Jahre vergangen, doch mit der Neuauflage von Upton Sinclairs Roman „ÖL!“ aus dem Jahre 1927 hat man die Möglichkeit, sich erneut in diese stürmischen Zeiten zu versetzen, nicht zuletzt, um hin und wieder einen kritischen Seitenblick auf unsere Welt zu werfen. Weiterlesen

2012 war offensichtlich das Jahr der wiederentdeckten Russen. Neben Gaito Gasdanow, dessen Meisterwerk »Das Phantom des Alexander Wolf« nach langer Zeit nun im Hanser Verlag den Weg in die Herzen der deutschen Leser fand, tritt nun ein weiterer Schriftsteller auf, der Gasdanow jedoch nicht unähnlicher sein könnte. M. Agejew ist sein Name, und das ist im Grunde auch alles, was man von ihm weiß: Ein Pseudonym, unter welchem er 1934 sein  erstes und einziges Werk veröffentlichte, den »Roman mit Kokain«. Danach wurde es still um ihn, manche Spekulationen gehen davon aus, dass er bis zu seinem Tod im Jahre 1973 bescheiden als Sprachlehrer in Russland lebte, andere glauben, dass er bereits in den 30er Jahren verstarb.

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Wir leben in unruhigen Zeiten. Man muss nur kurz den Fernseher einschalten um sich dessen sicher zu sein. Rund um den Globus flammen nationale und ethnische Konflikte ebenso auf wie jene auf sozialer Ebene. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander und gerade in Ländern, die an Schwellen- und Dritte-Welt-Länder grenzen, wird das Elend der Einwanderer und Flüchtlinge immer offensichtlicher. Glücklicherweise bietet unsere Gesellschaft genügend Möglichkeiten zur Ablenkung, sei es durch Konsum, in kreativem Schaffen oder etwa mit dem Genuss eines guten Buches. In dieser Hinsicht war das Jahr 2012 wieder ein Jahr voller interessanter Neuerscheinungen, darunter auch zahlreiche Erstlingswerke. Von schizophrenen Vogelbeobachtern konnte man lesen, ebenso wie von jungen Aserbaidschanerinnen. »In den Häusern der Barbaren« von Héctor Tobar ist ebenfalls ein Erstlingswerk, fällt aber aus der Reihe. Wieso? Weiterlesen

Wer ist Richard Yates? Richard Yates ist einer dieser Autoren, bei denen jeder Literaturwissenschaftler immer sofort verständig mit dem Kopf nickt – von dem trotzdem alle nur ein Werk kennen. In diesem Fall »Zeiten des Aufruhrs«, Yates‘ ersten Roman von 1961. Danach war es still geworden um ihn und als er 1992 starb, fanden sich nur noch wenige Geschichten von ihm in den Buchhandlungen. Erst vor einigen Jahren fand Richard Yates einen Weg zurück in die Herzen der Menschen und sogar bis nach Deutschland: Seit 2002 erscheinen seine Romane und Kurzgeschichten bei der Deutschen Verlags-Anstalt. Weiterlesen

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Machen wir uns einmal nichts vor: Seitdem »Die fabelhafte Welt der Amelie« in den Kinos lief, gibt es immer wieder sowohl Bücher als auch Filme, die zufälligerweise auch von kleinen aufgeweckten und zugleich träumerischen Mädchen erzählen, die sich ihren Weg durch die meist ebenfalls sehr skurril dargestellte Welt bahnen. Das ist an sich nicht weiter schlimm, schließlich geht es in der Literatur ja meistens um das Erschaffen und Recyceln von Prototypen. Auf die Dauer schmälert sich jedoch das Interesse des Lesers, wenn man in einem Klappentext zum wiederholten Mal von »einer unkonventionellen Familie« liest, »deren Tricks und Macken einem noch lange in Erinnerungen bleiben«. Weiterlesen

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Würden Agatha Christie, Franz Kafka und Christian Kracht zusammen auf einem Schiff über die Donau fahren, und würden sich diese drei zusammen an einen Tisch setzen, um ihre jeweiligen Stile zu vereinigen, dann wäre das Ergebnis mit Sicherheit ein bemerkenswertes Werk. Eine Mischung aus Krimi, Abstraktem und gewaltiger Identitätskrise. Leider stehen die Chancen schlecht, ein solches Buch noch in die Händen zu bekommen; Kafka und Christie sind längst auf den literarischen Olymp entschwunden und Christian Kracht hat auch andere Dinge zu tun, als auf einem Schiff die Donau hinunterzufahren. Für diejenigen, die jetzt untröstlich sind, und trotzdem gerne einmal jenes Machwerk lesen würden, bleibt Michal Hvorecky zu empfehlen. Denn dessen Roman »Tod auf der Donau« liest sich in der Tat wie eine bunte Mischung der von Grund auf verschiedensten Genres, eine spiralförmige Höllenfahrt, die Donau hinab. Weiterlesen

Olga Grjasnowa veröffentlichte im Februar 2012 ihren Debütroman »Der Russe ist einer, der Birken liebt«, der sogleich auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2012 gewählt wurde. Der Roman erzählt von Mascha, einer jüdischen Aserbaidschanerin, die von Deutschland nach Israel reist. Es ist die »Geschichte einer Generation, die keine Grenzen kennt, aber auch keine Heimat hat.«

Die Autorin im Interview auf der Frankfurter Buchmesse über Anton Tschechow, das Paris der 20er Jahre und einen Studienabschluss, der auf dem Arbeitsmarkt nichts wert ist. Weiterlesen

Franziska Vorhagen und Emil Fadel warten auf Klett-Cotta
Franziska Vorhagen und Emil Fadel warten auf Klett-Cotta

Wenn auf einmal hunderttausende Menschen aus aller Welt zusammenströmen, um sich mit Büchern zu befassen, dann dreht es sich entweder um Mitternachtsverkäufe und Zauberschulen, oder die Frankfurter Buchmesse hat wieder ihre Pforten geöffnet. Derselbe Ort, derselbe Wahnsinn, ein neues Jahr: Auf mehreren tausend Quadratmetern Ausstellungsfläche konnte man wieder alles betrachten, was einem Verlage, Druckereien und sonstige Aussteller feilboten. 2012 war das Octopus-Magazin an jedem Messetag vor Ort, um dem geneigten Leser ein möglichst akkurates Bild von den diesjährigen Höhen, Tiefen und Überraschungen zu vermitteln. Weiterlesen

»Das grüne Zelt«

Betritt man heutzutage an einem schönen Herbsttag eine Buchhandlung, so türmen sich bereits ab der Eingangstür die Neuerscheinungen der meisten Verlage mit Rang und Namen. In bunten Einbänden und mit vielversprechenden Titeln versuchen die meisten Werke, die Aufmerksamkeit des geneigten Käufers bereits beim ersten Hinsehen an sich zu binden. In dieser hin- und herschwappenden Bilderflut aus Bestsellerlisten und Sonderangeboten springt einem derzeit Ljudmila Ulitzkajas Roman »Das grüne Zelt« beim ersten Mal vielleicht nicht unbedingt ins Auge, beim zweiten Blick dafür umso heftiger. Der Titel ist wenig reißerisch, dennoch klingt er geheimnisvoll und weckt Neugierde. Auch der Einband besticht durch seine optische Aufmachung: Farbige Muster ziehen dort konzentrische Kreise und sorgen gemeinsam mit dem Titel dafür, dass man bis zu dem Moment, in dem man das Buch zum ersten Mal aufschlägt, nicht die leiseste Ahnung hat, worum es eigentlich geht. Weiterlesen

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»Das beste Pferd, das mir jemals gehört hat, war ein weißer Hengst.«

Manchmal gibt es Autoren, die eine Weile benötigen, bis sie sich einen Platz in der ständig auswuchernden Bücherlandschaft sichern können. Gaito Gasdanow ist so ein Fall. Sein Roman »Призрак Александра Вольфа« erschien 1948, wurde in Russland aber wegen des sowjetischen Regimes erst 1988 im Zuge der Perestroika veröffentlicht. Gasdanow, der sich seit seiner Jugend im Exil in Paris befand, erlebte das nicht mehr. Kurz nach der Erscheinung des russischen Originals wurden weitere Fassungen auf Englisch und Französisch publiziert. Um bis nach Deutschland zu kommen, benötigte der oft mit Camus und Proust verglichene Autor dennoch weitere 24 Jahre: 2012 erschien »Das Phantom des Alexander Wolf« beim Carl Hanser Verlag. Weiterlesen