Kein Weg führt daran vorbei, an einer Liste der besten Bücher des Jahres 2012.
Sie soll als Protokoll dienen, als Licht im Dschungel, Happening, Klischeebekundung und unbedingte Empfehlung.
Wir haben uns im Dienste der Literatur die Haare gerauft und Koalitionen geschlossen. Doch kam niemand von uns an diesen zehn Büchern des Jahres vorbei. Es sind die besten Bücher. Finden wir!
(Die Liste ist nach alphabetischen Gesichtspunkten sortiert. Ohne Präferenzen.)

Auf verschlungenen Pfaden folgen ein Schriftsteller und eine Chemieprofessorin der Möglichkeit sozialen Fortschritts, verbinden dabei hochkomplexe Denkprozesse mit detaillierten Beobachtungen. Das Resultat trägt den sperrigen Titel »Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee« und ist voller Wissen und Engagement. Und unbedingt lesenswert, auch wenn viele anders behaupten. Weil die Menschen ihre Geschichte immer noch selbst machen, wenn auch nicht »aus freien Stücken«, und nichts schlimmer ist als die Dummheit, auf der das Unrecht so blühend gedeiht. (MH)

(Dietmar Dath und Barbara Kirchner: »Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee«)

 

Ganz ohne Worte nimmt Stella Dreis ihre Leser (Betrachter, um genau zu sein) mit auf eine Reise in die Märchenwelt der Brüder Grimm. Die collagenartigen Illustrationen sind ein wahrer Augenschmaus. Für das gelungene Experiment, die Märchen parallel und »nur« in Bildern zu erzählen, gibt es bei uns einen Platz in der Jahresbestenliste. Aus den vielen Neuerscheinungen, die im letzten Jahr aus Anlass des 200jährigen Jubiläums der »Kinder- und Hausmärchen« erschienen sind, sticht dieses Bilderbuch deutlich heraus. (FV)

(Stella Dreis: »Grimms Märchenreise«)

 

»Johann Holtrop« ist Hybris und Verkommenheit, Vision und Niedertracht, kurz: der ganze Wahnsinn einer Zeit, die immer noch auch die unsere ist. Wie ein System, das auf Gier und Unvernunft aufgebaut ist, die Menschen zurichtet, das stand im vergangenen Jahr nirgendwo so klar und deutlich wie bei Rainald Goetz. Schonungslos und ohne Mitleid, aber wahrhaftig. Und so setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Goetz im Grunde ein großer Moralist und Aufklärer ist – einer der letzten, den die deutsche Literatur hat. (MH)

(Rainald Goetz: »Johann Holtrop«)

 

 

Träumerisch und voller Melancholie erzählt das Jungtalent Olga Grjasnowa eine Geschichte über das Leben, den Tod und wie schwer das Loslassen manchmal fallen kann. In ihrem Roman wird gelacht, geweint, gekämpft und geliebt; der Leser fühlt sich immer mitten im Geschehen, wie von der Autorin am Kragen hereingezogen. Sie lässt ihre Heldin fragil erscheinen, aber nur, um auf der nächsten Seite einen Wutausbruch zu beschreiben. Man kann meinen, Masha funktioniert deshalb so gut als Protagonistin, weil wir alle ein bischen von ihr in uns tragen. (EF)

(Olga Grjasnowa: »Der Russe ist einer der Birken liebt«)

 

»Das Karussell« schließt die von Klaus Kordon 2002 begonnene autobiographische Reihe. Doch der Roman beginnt zunächst ohne ihn, denn im Mittelpunkt steht die Lebens- und Liebesgeschichte seiner Eltern. Den »Vorgängern« (»Krokodil im Nacken« und »Auf der Sonnenseite«) steht er in nichts nach, auch hier schafft Kordon es nicht nur die eigene Geschichte authentisch und spannend zu erzählen, sondern auch die eines halben Jahrhunderts. (FV)

(Klaus Kordon: »Das Karussell«)

 

Der Aufreger des Jahres zum schwülsten Buch des Jahres: Christian Krachts Meisterschaft liegt im gut-gescheitelten Fabulieren von kleinen Schweinereien. Das Leben von Vegetarier, Aussteiger und Südsee-Urlauber August Engelhardt ist der große Abgesang auf die Kolonialisten. Ein romantischer Traum, dem Untergang geweiht. Stefan Zweig wäre zufrieden. Und Hitler taucht auch noch auf. Darf das überhaupt sein? (CP)

(Christian Kracht: »Imperium«)

 

 

Ein Sommer, der alles verändert, nach dem nichts mehr so ist wie es vorher war. Das klingt nach reißerischer Action – oder nach Schnulze. Stimmt aber in diesem Fall nicht. Craig Silveys Roman ist vor allem eines: spannend und vielfältig. Im Fokus steht die Auflösung eines Mordfalles, aber daneben schafft es der Autor auch, ein scharfes und erschreckendes Bild der Gesellschaft einer australischen Kleinstadt Mitte der 1960er Jahre zu zeichnen. (FV)

(Craig Silvey: »Wer hat Angst vor Jasper Jones?«)

 

 

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“ und fahren nach Osten. Der magische Debütroman von Andreas Stichmann ist Wahnvorstellung, Psychoanalyse, Road-Novelle, Reisetagebuch und große Unterhaltung. Jede Seite brennt, brennt, brennt. Das größte Glück für Stichmann: »Außerdem wollte ich unbedingt, dass Rupert an irgendeiner Stelle des Romans Hühner schlachtet – am Ende ist es jetzt also soweit«, sagt der Autor im Interview. Und wir reichen ihm die Messer. (CP)

(Andreas Stichmann: »Das große Leuchten«)

 

Die Zukunft liegt längst hinter uns. Benjamin Steins kühle sozial-mediale Utopie zeichnet das Bild einer Diktatur der Technologie, in welche die Menschheit kopfüber stürzt. Jeder trägt jetzt einen Chip im Kopf, zeichnet die Höhepunkte seines Alltags auf und ruft sie ab, wann immer ihm danach ist. Eine dunkle Phantasie, beängstigende Vision: Nach dem Leben kommt der Solipsismus. Wie »1984«: Dieses Buch ist seiner Zeit voraus. (CP)

(Benjamin Stein: »Replay«)

 

 

Wem Hemingway inzwischen zu durchgekaut und Arthur Miller zu abgehoben ist, der findet in Richard Yates den perfekten Weggefährten. Dessen Roman »Eine gute Schule« nimmt einen mit in die späten dreißiger Jahre und klingt dabei so authentisch, dass man hin und wieder das Lesen unterbrechen sollte, um klarzustellen, in welchem Jahr man gerade lebt. Dabei bleibt Yates bescheiden, es ist sein Werk, das über ihn spricht. Wer auf mehr hofft, muss leider auf Wunder warten: Richard Yates starb 1992 im Alter von 66 Jahren. Schade. (EF)

(Richard Yates: »Eine gute Schule«)

 

 

Nach rein subjektiven Maßstäben zusammengetragen von: Franziska Vorhagen, Emil Fadel, Markus Huber und Christian Preußer.

 

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