Olga Grjasnowa veröffentlichte im Februar 2012 ihren Debütroman »Der Russe ist einer, der Birken liebt«, der sogleich auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2012 gewählt wurde. Der Roman erzählt von Mascha, einer jüdischen Aserbaidschanerin, die von Deutschland nach Israel reist. Es ist die »Geschichte einer Generation, die keine Grenzen kennt, aber auch keine Heimat hat.«

Die Autorin im Interview auf der Frankfurter Buchmesse über Anton Tschechow, das Paris der 20er Jahre und einen Studienabschluss, der auf dem Arbeitsmarkt nichts wert ist.

Liebe Olga Grjasnowa, was bedeutet Ihnen Heimat? Ihre Muttersprache ist Aserbaidschanisch, doch leben Sie seit Ihrem zwölften Lebensjahr in Deutschland. Sie sprechen davon, dass Ihr Deutsch mittlerweile besser sei, als Ihre eigentliche Muttersprache. Ist die deutsche Sprache ein Hafen, eine Heimat für Sie geworden?

Linguistisch gesehen ist Deutsch die einzige Sprache, die ich wirklich beherrsche. (Den Rest dieser eloquenten Antwort gibt das Diktiergerät nicht preis. Dafür sehr gut hörbar: Eine Frau, die aufgeregt ruft: »Da ist Elke Heidenreich!«)

Masha, die Protagonistin Ihres Debütromans »Der Russe ist einer, der Birken liebt«, ist sehr energetisch und laut. Bei der gestrigen Lesung im Rahmen der Frankfurter Buchmesse haben wir Sie nun aus Ihrem Buch vortragen sehen und konnten feststellen, dass Sie eine zurückhaltende und ruhige Person sind. Wie viel »Masha« steckt in Ihnen?

Das ist nicht leicht zu beantworten, man selbst hat keine allzu gute Einsicht auf sein eigenes Wesen.

Der Titel des Romans ist ein Zitat von Anton Tschechow. Welche Bedeutung hat dieser Satz für Sie? Im Buch spielt er keine Rolle.

Ich wollte unbedingt einen Titel, der auf den ersten Blick nichts mit dem Buch zu tun hat. Dieses Zitat tauchte als Nebensatz in einer meiner frühen Kurzgeschichten auf. Dieser Satz war mir immer sehr präsent, so dass ich schon früh wusste, dass mein erster Roman diesen Titel tragen würde.
Dieses Zitat stammt aus dem Stück »Drei Schwestern« und spielt auch dort keine wichtige Rolle. Ich mochte den Klang.

Ihr Roman ist sehr erfolgreich: Er wird bald in verschiedene Sprachen übersetzt und stand nicht zuletzt auch auf der Longlist des deutschen Buchpreises 2012. Waren das Ihre Erwartungen, als Sie anfingen, den Roman zu schreiben?

Zunächst habe ich gehofft, dass ich einen Verlag finde, der das Buch veröffentlichen würde. Ich habe am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert und war mir bewusst, dass es nicht leicht werden würde, als Schriftstellerin Fuß zu fassen. Das Erste, was wir im Studium zu hören bekamen war, dass unser Abschluss auf dem Arbeitsmarkt nichts wert sei. Und das ist wirklich wahr.

Andreas Stichmann, Clemens J. Setz, Leif Randt, Olga Grjasnowa: Viele junge Schriftsteller machen sich derzeit auf, die Grenzen der Welt auszuloten. So unterschiedlich die Texte sind, so haben sie doch gemein, dass sich ihre Protagonisten einen Platz in dieser Welt erkämpfen müssen. Diese jungen Autoren werden derzeit als »Verlorene Generation“ bezeichnet. Sind Sie damit einverstanden?

Das galt höchstens für die »Lost Generation« im Paris der 20er Jahre. Doch jetzt ist alles so fließend. Man kann nicht von einer Gruppe sprechen. Und das finde ich gar nicht so nicht schlimm. Im Gegenteil: Ich finde es gut.

Olga Grjasnowa wurde 1984 in Baku geboren, 1996 übersiedelte sie mit ihrer Familie nach Deutschland. »Der Russe ist einer, der Birken liebt« ist ihr Debütroman, für den sie mit dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet wurde.

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