Machen wir uns einmal nichts vor: Seitdem »Die fabelhafte Welt der Amelie« in den Kinos lief, gibt es immer wieder sowohl Bücher als auch Filme, die zufälligerweise auch von kleinen aufgeweckten und zugleich träumerischen Mädchen erzählen, die sich ihren Weg durch die meist ebenfalls sehr skurril dargestellte Welt bahnen. Das ist an sich nicht weiter schlimm, schließlich geht es in der Literatur ja meistens um das Erschaffen und Recyceln von Prototypen. Auf die Dauer schmälert sich jedoch das Interesse des Lesers, wenn man in einem Klappentext zum wiederholten Mal von »einer unkonventionellen Familie« liest, »deren Tricks und Macken einem noch lange in Erinnerungen bleiben«.

Gil Adamsons »Hilf mir, Jacques Cousteau« ist dennoch das Aufschlagen (und besonders das Lesen) allemal wert. Das liegt größtenteils an der Rezeptur der Kanadierin, anstatt irgendwo im konventionellen herumzudümpeln, verkehrt sie das ganze Geschehen in ein abstraktes, exzentrisches Wunderland, in dem Jacques Cousteau durch das Wohnzimmer schwimmt (auf diesen Auftritt beschränkt sich leider sein Erscheinen im Buch auch schon), Haifische Salatblätter als Hauptnahrung bevorzugen und ein Diabetiker Berge von Schokoladenriegeln isst. Die Protagonistin Hazel schwebt von allem unberührt durch die Tage und hat zudem ein dermaßen schlechtes Gedächtnis, dass sie problemlos Namen, Gesichter und Eigenschaften ihrer Freunde und Verwandten vergisst. Die Verwandten sind allerdings auch eine Geschichte für sich, ein selten verrückter und spleeniger Haufen, angefangen bei Hazels Vater, der sich als Bastler versucht und ständig Kurzschlüsse verursacht, über ihren Bruder Andrew, der am Rande des Autismus entlang balanciert, bis hin zu ihrer Mutter, die irgendwie auch nicht ganz normal wirkt.
Beim ersten Lesen reißen einen diese liebenswerten Verrückten durchaus mit, so dass man vergisst über Logik und Kontinuität nachzudenken, nüchtern betrachtet wirken sie aber doch etwas überzeichnet, fast schon ein wenig unwirklich. Besonders schlimm wird das am Ende, wo es einen Zeitsprung gibt und Hazel und Andrew plötzlich erwachsen sind. Dass sich die Protagonistin als junge Frau immer noch so ziellos und verträumt durch die Welt bewegt, wie als Mädchen, wirkt jetzt nur noch unglaubwürdig, auch machen ihre zahlreich geschilderten Sex-Eskapaden sie als Charakter farblos und unsympathisch. An dieser Stelle driftet »Hilf mir Jacques Cousteau« ins Belanglose ab, bis dahin liest es sich aber fantastisch. Es ist wahrlich eines dieser Bücher, die man aufschlägt und von Buchdeckel zu Buchdeckel durchliest. Der Rezensent empfiehlt dem geneigten Leser an dieser Stelle, bei Seite 133 einfach so zu tun, als wäre es zu Ende, es sanft zuzuklappen und mit einem milden Lächeln ins Regal zu stellen. Oder man liest es zu Ende, womöglich, während man einen Kopfstand auf dem Hausdach macht. So hätte es Hazel vermutlich getan.

Gil Adamson: »Hilf mir, Jacques Cousteau«. Aus dem Amerikanischen von Maria Andreas. C. Bertelsmann Verlag: München 2012.

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