bartaberherzlichEs muss ja nicht immer Literatur sein. Oder?

Während sich der deutsche Buchmarkt innerhalb der letzten Jahre immer mehr in eine Art Selbstfindungskrise stürzt, scheinen bisher nur zwei Resultate als klare Folgen erkenntlich zu werden: Zum einen die Unterscheidung zwischen E(rnster)- und U(nterhaltungs)-Literatur, zum anderen der kometenhafte Aufstieg der sogenannten »Coffee Table Books«. Ersteres sollte mit viel Vorsicht genossen werden und bietet immer wieder Raum (und Bedarf) für hitzige Diskussionen, letzteres hingegen ist weitaus harmloser, erfordert jedoch auf Grund der massenhaften Ausbreitung früher oder später ein Auseinandersetzen mit dem Thema. Weiterlesen

was ist ein ereignisSlavoj Žižek, das enfant terrible der Philosophie, meldet sich mit einem Paukenschlag zurück: „Was ist ein Ereignis?“ heißt das neue Buch, das in der Sachbuch-Abteilung des Fischer Verlags erscheint. Schon der Titel macht klar, dass es hier nicht um irgendwelche Haarspaltereien auf metaphysischer Ebene gehen soll, sondern um Grundsätzliches. Sollte der geneigte Leser sich bereits an dieser Stelle fragen: „Who the f*ck is Žižek?“, so findet er im Folgenden eine kleine Einführung:

Slavoj Žižek ist ein slowenischer Medienphilosoph, Kulturkritiker und Vertreter der Psychoanalyse von Jaques Lacan. Er liebt Filme von Alfred Hitchcock und David Lynch im selben Maße, wie er Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Martin Heidegger liebt. Seine häufig etwas unorthodox formulierten Thesen erlangen insofern enorme Bedeutung in der heutigen Zeit, als dass er sie nicht im Theoretischen belässt, sondern auf popkulturelle und gesellschaftliche Phänomene überträgt. Obgleich oftmals kritisiert, gilt Žižek inzwischen als der „Elvis der Kulturtheorie“ (The Chronicle of Higher Education). Weiterlesen

Summ, summ, summ,

Bienchen summ herum.

Kaum ein Roman auf der Frankfurter Buchmesse 2014 dürfte diesem altbekannten Kinderlied mehr entsprochen als das bei Klett-Cotta erschienene »Die Bienen« von Laline Paull, und das, ganz ohne ein Kinderbuch zu sein. Auch wenn eine Kurzversion des Plots Ähnlichkeiten mit Steve Parkers »Tagebuch einer Ameise« aufzuweisen scheint, so verbirgt sich doch viel mehr hinter der Geschichte von Flora 717. Diese ist eine Arbeiterbiene der unteren Kaste in einem Bienenvolk, dessen Stock in einem sommerlichen Obstgarten steht. Als sie schlüpft, heftet sich der Blick des Lesers an sie und verfolgt sie von nun an, während sie sich den Alltag ihrer Schwestern eingliedert. An dieser Stelle könnte das Buch bereits mit den klassischen »Und wenn sie nicht gestorben ist…«-Phrase enden. Tut es aber nicht, denn das Leben einer Biene ist bei weitem turbulenter, als man es vielleicht annehmen mag, besonders das von Flora 717. Ihr geschehen ohne Unterbrechung die wunderlichsten Dinge und schließlich beginnt sie auch noch, Eier zu legen. Im Bienenstock gerät die Welt aus den Fugen… Weiterlesen

störung im betriebsablaufEs ist schon verhext: Hunderte Male steigt man in den Zug, fährt von A nach B, liest dazwischen ein gutes Buch und steigt wieder aus. Und dann liegt auf einmal alles lahm, Bahnhöfe erinnern an Flüchtlingslager in der dritten Welt und alle schimpfen, mit unterschiedlichen Sündenböcken, vor sich hin. Als wäre das alles vorauszusehen gewesen, erschien kurz vor der Buchmesse ein kleines, auf den ersten Blick unscheinbares Büchlein im Wagenbach-Verlag. „Störung im Betriebslauf“ steht in nüchternen, schwarzen Lettern auf dem himmelblauen Cover, das mehr an einen S-Bahn-Fahrplan erinnert als an ein literarisches Produkt, und doch verbirgt sich hinter der schlichten Aufmachung eine der besten Ideen des Jahres. Weiterlesen

PILEr hat – obwohl millionenfach verkauft – eine schwierige Position im deutschen Buchmarkt, seine Thematik wird gleichermaßen extrem abgelehnt wie frenetisch verteidigt. Die Rede ist nicht etwa von Günther Grass, sondern vom Manga, eben jenem Genre, das seit ungefähr zwei Jahrzehnten auch in Deutschland einen kometenhaften Aufstieg erfuhr.
Obgleich der am stärksten wachsende Sektor des deutschen Buchmarktes wird den japanischen Comic-Büchern von Nicht-Otakus (Otaku: japanische Bezeichnung für Hardcore-Fans) immer noch kaum Beachtung geschenkt, von Meilensteinen wie „Barfuß durch Hiroshima“ oder „Akira“ einmal abgesehen. Auf der Gegenseite scheint sich die Hauptzielgruppe des Mangas auch weniger für andere Literatur oder sonstige Popkultur zu interessieren, ein Phänomen, das man jedes Jahr auf den Buchmessen beobachten kann. Immer wieder werden Versuche unternommen, die beiden Welten zu verbinden, nun erscheint im Carlsen-Verlag ein Buch, dass die Karten neu verteilen könnte. Weiterlesen

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Als am 28. Juni 1914 der Erzherzog und österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo von serbischen Attentätern erschossen wurde, befand sich Europa in einem wirren Geflecht aus hegemonialen Interessen, ideologischen Treueversprechungen und nationalistischer Verblendung. Dennoch sah es vorerst nicht danach aus, als würde dieses Ereignis zu einem Krieg führen, die Staatsoberhäupter versuchten, den überkochenden Zorn in der öffentlichen Meinung zu besänftigen, Großbritannien unternahm insgesamt sieben Vermittlungsversuche und die Zweite Internationale tagte weiterhin, um den sozialistischen Zusammenhalt gegen die nationalen Differenzen zu demonstrieren. Innerhalb eines Monats wandelte sich diese Atmosphäre eines gefährdeten Friedens hin zu einer blinden Zerstörungswut, die den ganzen Kontinent in Dunkelheit stürzen sollte. „In ganz Europa gehen die Lichter aus,“ äußert sich der britische Außenminister Edward Grey während der Julikrise zu einem Freund, „wir alle werden sie in unserem Leben nie wieder leuchten sehen.“ Weiterlesen

Am frühen Morgen taucht eine Nachrichtenmeldung auf,die ironischer nicht sein könnte.Hansruedi (HR) Giger, der Erfinder des »Aliens«, der Zeit seines Lebens Abneigung und Ängste gegenüber Treppen und ähnlichen Angelegenheiten hatte, erliegt den Folgen der Verletzungen, die er sich bei einem Sturz zugezogen hat. Weiterlesen

Um sämtliche Missverständnisse gleich zu Beginn aus dem Weg zu räumen: Das kürzlich im Rowohlt-Verlag erschienene »Morphin« ist keineswegs die Fortsetzung von M. Agejews »Roman mit Kokain«. Vielmehr handelt es sich bei Szczepan Twardoch um einen Autor der Gegenwart, der die Handlung seines Erstlings ins Warschau am Ende der 30er Jahre versetzt, der goldenen Ära des Morphins. Protagonist Konstanty Willemann, von seinen Freunden kurz Kostek geheißen, erwacht eines Morgens, verkatert und hungrig, die Deutschen haben Polen gerade überrannt und für einen Reserveoffizier wie Kostek gibt es kaum etwas zu tun. Also besucht er die Cafés, in denen die geschlagenen Generäle und Majore schon über den Befreiungskrieg fachsimpeln, sieht sich die jüdische Oberschicht an, die mit bereits gepackten Koffern versucht, letzte Wertgegenstände gegen Bares einzutauschen und wandert die Straßen des zerstörten, »vergewaltigten« Warschaus hinunter. Weiterlesen

Er war neben M. Agejews „Roman mit Kokain“ wohl die fantastischste (Wieder-) Entdeckung des Jahres 2013: Sein im Hanser-Verlag erschienener, neu übersetzter Roman „Das Phantom des Alexander Wolf“ überzeugte Liebhaber wie Kritiker der russischen Exilliteratur gleichermaßen. Der Name Gaito Gasdanow ist insofern also Programm. Nun erscheint – ebenfalls bei Hanser – sein zweiter Streich, wobei es eigentlich vielmehr der erste ist, denn „Ein Abend bei Claire“ war das Erstlingswerk des stillen Russen. Zur Jahreswende 1929/30 veröffentliche der damals Sechsundzwanzigjährige jenes Werk, das ihn mit einem Schlag vom hungerleidenden Taxifahrer und Essaisten zum gefeierten Exilliteraten beförderte, der im selben Atemzug wie Vladimir Nabokov genannt werden sollte. Weiterlesen

Welchen Geschmack hat Zynismus? Und welche Farbe besitzt Desillusionierung?

In Anna Kordsaia-Samadaschwilis »Ich, Margarita« erwartet man zunächst keine der beiden Stimmungen. Auf dem Cover zeigt eine junge Frau beim rasanten Radschlagen (oder beim Breakdance, so genau kann man das nicht sagen) ihren Bauchnabel. Dieses Bild, in Verbindung mit dem selbstbewussten, ein wenig frechen Titel, erweckt sofort den Eindruck, man lese einen der inzwischen in Mode gekommenen »Verlorene Jugend/ Adoleszenz /Coming of Age-Romane«, wie es sie letztes Jahr zahlreich zu bewundern gab (Man denke zurück an Roman Ehrlichs »Das kalte Jahr« oder Lisa Kränzlers »Nachhinein«). Weiterlesen

Das Jahr 2014 ist nicht nur das Internationale Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft, in den kommenden zwölf Monaten wird der Beginn des Ersten Weltkriegs genau 100 Jahre alt. Das ist Anlass zum Gedenken an die vielen Menschen, die damals und seitdem in Kriegen überall auf der Welt sterben mussten, Anlass für Politiker, die tiefe Verbundenheit zu beteuern, die inzwischen in Europa herrscht, und Anlass für die Verlage, Bücher zu verkaufen. Beinahe jeder große Verlag, dessen Programm auch nur annähernd in die Bereiche Sachbuch oder Belletristik reicht, veröffentlicht dieses Jahr einen Titel über den Ersten Weltkrieg, sei es ein Fotoband, eine Chronik oder ein Feldküchen-Kochbuch. Bei dieser enormen Menge an Publikationen fällt es dem geneigten Leser natürlich schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen, deshalb werden im Folgenden die zwei wohl informativsten Werke vorgestellt. Weiterlesen

Die Kurzgeschichte hat es nicht leicht in Deutschland. Vergangen sind die Tage der Gruppe 47, vorbei die Ära von E.T.A. Hoffmann bis Heinrich Böll. Vereinzelt schaffen es noch Bände mit Erzählungen in die öffentliche Aufmerksamkeit, beispielsweise »Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes« von Clemens J. Setz im Jahr 2011, aber ansonsten steht die traurige Tatsache seit einiger Zeit fest: Die Kurzgeschichte ist – neben der Lyrik – das schwierigste Terrain im deutschen Buchmarkt, vor allem für junge, unbekanntere Autoren. Weiterlesen