Ist über dieses leidige Thema nicht schon alles gesagt? Haben nicht beide Seiten ihre Argumente oder das, was sie dafür halten, ausgetauscht? Es wurde in der Tat viel gesagt und geschrieben, allein eine neue Erkenntnis hat sich bisher nicht eingestellt. Schluss, aus, Ende – nichts lieber als das! Doch bevor Geist und Sinne sich anderen Dingen zuwenden, bitte noch einen kurzen Moment die Aufmerksamkeit bewahren. Denn plötzlich kommt da einer, der bringt es so schön und treffend auf den Punkt. Von Feridun Zaimoglu stammt der bisher wohl beste Beitrag zur Debatte um die Ankündigung des Thienemann Verlags, diskriminierende Bezeichnungen wie »Neger« und »Zigeuner« in der Neuausgabe des Kinderbuchklassikers »Die kleine Hexe« zu ersetzen. Schade, dass er kaum Beachtung fand.

Das politisch korrekte Sprechen ist eine Sprachstellung der bürgerlichen Verklemmungen. Das ersetzte Unwort erzeugt eine Leerstelle. Das ‘richtige’ Ersatzwort besteht aus Pappe, Hirn und Spucke. Es stammt aus dem Fachjargon der Gebildeten und Gelehrten: kein Feuer, keine Entflammungsgefahr, ödes Zeug.

In einem Interview plädiert Zaimoglu dafür, dass die Literatur auch die hässlichen Seiten des Lebens abbilde. Es geht also, man muss es leider immer wieder sagen, nicht darum, Rassismus und Diskriminierung in irgendeiner Form für akzeptabel zu erklären oder zu marginalisieren. Gegen rassistische Beleidigungen und Übergriffe ist anzukämpfen, und zwar mit allen geeigneten Mitteln. Aber Verschweigen und Vertuschen, und das ist der entscheidende Punkt, sind eben nicht geeignet. Es werden sich immer Worte finden lassen, um andere Menschen zu beleidigen, herabzusetzen und zu verletzen. Zensur und Verbote helfen da nicht, sie kaschieren die Probleme allenfalls. Zaimoglu kommt es aber zuvorderst auf etwas anderes an. Er, der Literat, stellt die Frage, was mit Literatur passiert, die sich den Ansprüchen selbsternannter Sprachwächter bedingungslos unterwirft und alles Verfemte und Unschöne aus ihrem Vokabular verbannt.

Ein Autor, der sich vorsieht, wird am Ende nur ein Theorietraktat verfasst haben. Das ist ja das Elend der vertrottelten Fraktion der Kulturelite: Sie füllen die Näpfe mit Trockenfutter. Die Sprachhygieniker können uns Schreiber mal. Wenn wir schreiben, nähern wir uns dem Leben. Wenn wir ein gutes Buch vorlegen, dann haben wir darin auch das Schlammige, Ungeklärte und Verfluchte eingefangen. Wir wollen es so, die Leser wollen es so, und auf die Sprachhygieniker verzichten wir gerne. […] Ein fanatisierter Korrektor hält den Finger über die Löschtaste. Sein Selbstverständnis: Er gehört zu den Guten. Er begradigt, er berichtigt, und bezähmt damit die Bestie Mensch. Er skandalisiert das unbehagliche Leben. Er retuschiert die Bilder der Entstellung und der Verzerrung. Ein Selbstbetrug. Meist ist der Retuscheur ein Kindskopp mit abgeschlossenem Studium. Die Niedlichkeit ist ein Abschlussfirnis. Er bekämpft nicht das Übel, er dämpft und fälscht.

Und nach dieser wirklich schönen Suada kann die Sache jetzt bis auf weiteres ad acta gelegt werden. Danke für die Aufmerksamkeit.

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