Als Thienemann-Verleger Klaus Willberg vor einer Woche bekanntgab, Otfried Preußlers Kinderbuchklassiker »Die kleine Hexe« für die kolorierte Neuausgabe, die im Juli diesen Jahres erscheinen soll, sprachlich überarbeiten zu wollen, war der öffentliche Protest groß. Willberg spricht von einem »shitsorm«, der über ihn hereingebrochen ist[1].

Ehrenwert ist mit Sicherheit, dass der Thienemann-Verlag sich verantwortlich für seine Texte fühlt und durch die sprachlichen Anpassungen verhindern möchte, dass es zu Missverständnissen kommt. Schade ist, dass der Verlag seinen Lesern den Umgang mit dem Original offenbar nicht mehr zutraut. Eine denkbare Alternative wären Fußnoten oder ein Glossar gewesen. Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass der Stuttgarter Verlag mit diesem Entschluss nicht allein auf weiter Flur steht. Der Hamburger Verlag Friedrich Oetinger hat vor einigen Jahren eine ähnliche Entscheidung getroffen und Bezeichnungen wie »Neger« oder »Zigeuner«aus den Übersetzungen von Astrid Lindgrens »Pippi Langstrumpf« gestrichen.

Sprache befindet sich permanent im Wandel, Beispiele für Bedeutungsverschiebungen gibt es nicht nur in der deutschen Sprache reichlich. Dass in einem sprachlichen Missverständnis, wenn es denn zustande kommt, auch Potential steckt, findet Tilman Spreckelsen: »Wer aber einen Text umschreibt, um ihm das Anstößige zu nehmen, erreicht damit nur eins: dass über dieses Moment der Irritation nicht mehr gesprochen wird.«[2] Recht hat er.


[1] Der Verlag plant, politisch unkorrekte bzw. diskriminierende Bezeichnungen wie »Neger« zu ersetzen und nicht mehr gebräuchliche Begriffe, etwa »Schuhe wichsen« für »Schuhe putzen«, an die heutige Sprache anzupassen.

[2] Tilman Spreckelsen: Wir wollen vorlesen und nichts erklären müssen, FAZ (09.01.2013).

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