9783462309874_10Was Michel Houellebecq im Januar 2015 präsentierte, wurde heiß diskutiert – über das Feuilleton hinaus, in aller Öffentlichkeit. Literatur war plötzlich wieder eine Autorität, auch, oder gerade weil »Unterwerfung« vorgeworfen wurde, der Roman schüre Ängste sowie Hass gegenüber den Muslimen. Da hatte ein Buch angeblich Position bezogen, was im gegenwärtigen Literaturbetrieb nicht allzu oft geschieht.

Dass der beschworene Konflikt blitzartig seinen Gipfel erreichte, nur in einer dem Roman gegenläufigen Richtung, nämlich in Form des Terroranschlags auf das Satiremagazin »Charlie Hebdo«, konnte Houellebecq nicht ahnen und doch kam es zu diesem unheimlichen Moment: Literatur und Realität gerieten unheilvoll in Mixtur – ein Bestseller wäre es dennoch ohnehin geworden. Weiterlesen

houllebecqEr sieht müde aus und ziemlich ausgezerrt. Ein kleines Männchen, mit wirrem Haar und faltigem Hemd. Michel Houellebecq hat harte Zeiten hinter sich, ach, eigentlich waren sie schon immer hart: Seit seinem Debüt »Ausweitung der Kampfzone« (1994) muss sich Houellebecq als »Skandalautor« betiteln lassen, und das bloß, weil er die wahrscheinlich schneidigsten und konsequentesten Zerstörungsphantasien der westlichen Dekadenzgesellschaft zwischen zwei Buchdeckel presst. Weiterlesen

Schöpfung, geboren aus Wahn, Furcht und Ohnmacht. Die Angst vor dem unendlichen, grauenerregenden Abgrund, der hinter der brüchigen Fassade der modernen Welt lauert, hat ihn zeit seines kurzen Lebens umgetrieben. Und sie hat Seltsames, gar Widersprüchliches hervorgebracht. Im Privaten war Howard Phillips Lovecraft ein weltfremder Sonderling mit zum Teil fragwürdigen politischen Ansichten. Im Künstlerischen hat er weit mehr geschaffen als ein umfangreiches und einzigartiges literarisches Werk – er hat einen Mythos ins Leben gerufen, der bis heute in Literatur, Musik und Popkultur fortwirkt. Das fiktive Buch Necronomicon, das etwa Tocotronic auf ihrem 2002er Album besingen, geht ebenso auf Lovecraft zurück wie die vielfach kolportierte Vorstellung einer mysteriösen außerirdischen Rasse, genannt »die Großen Alten«. Wichtiger als der Nachruhm und die Nachahmer ist aber, dass Lovecrafts Romane, Erzählungen und Kurzgeschichten auch heute noch unbedingt lesenswert sind. Genauso wie der grandiose Lovecraft-Essay von Michel Houellebecq, »Gegen die Welt, gegen das Leben«.