Der Roman „The Circle“ von Dave Eggers, nun auf Deutsch bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, zeichnet eine dystopische Zukunft unseres digitalen Zeitalters. »The Circle« ist Eggers wütender Aufschrei gegen das blinde Vertrauen in den technischen Fortschritt. Eine Warnung vor einem Google-Facebook-Amazon-Monopol, das womöglich einen zu hohen Preis für ein komfortableres Leben fordert. Ein Aufruf, damit wir uns jetzt empören, bevor der digitale Kreis uns endgültig umschließt.

»Privatsphäre ist Diebstahl« ist eines der Dogmen des Super-Konzerns The Circle, geleitet von drei Mächten: Dem verborgenen IT-Crack, dem erfolgsorientierten Manager und dem sympathischen Gesicht der Firma. Einem Dreieck der Macht, das alle Feinde aus dem Weg räumt und unerbittlich ein Ziel verfolgt: Die Vervollständigung des Kreises und damit die Korrosion aller politischen, wirtschaftlichen und privaten Geheimnisse. Dabei ganz von dem Glauben besessen, dass nur unter Beobachtung der Mensch sich von seiner besten Seite zeige.

Doch so düster und gefährlich das nun alles klingen mag erscheint es der jungen Protagonisten Mae definitiv nicht. Alles wirkt am ersten Arbeitstag – im Gegenteil – viel viel besser! Die Arbeit ist zukunftsorientiert, das Klima menschlich, die Gesundheit jedes Mitarbeiters wird durch ein kleines Armband kontrolliert. Auch vor dem nächsten Treffen mit dem Chef braucht man nicht mehr bibbern: Die eigene Leistung wird durch einen Algorithmus ermittelt, der Chef kommentiert jeden Erfolg per Chat, die soziale Vernetzung der Mitarbeiter zählt zu den wichtigsten Pflichten. Wieso sollte man sich auch auf sein menschliches Ich beschränken, wenn sein digitales ein Vorbild für die ganze Welt sein kann? »Teilen ist heilen«, nur ein weiteres Dogma des Circles. Dass man mit einer Kamera um den Hals durch den Alltag spaziert, um die ganze Welt an der eigenen teilhaben zu lassen, avanciert dann einfach zum Privileg statt zur Strafe.

Alles ein wenig übertrieben? In der Tat! Dave Eggers geht es in seinem Roman sicher nicht um den schleichenden Prozess der Machtübernahme einer fiesen Internet-Diktatur. Er schärft auch nicht die Sinne seiner Leser für die kalten Finger der globalen Überwachung. Seine provokante und einfache Geschichte ist eine wütende Mitteilung, die schon seit Monaten Schlagzeilen macht: Die Tendenz, trotz der offenkundigen digitalen Gefahr zugunsten von Bequemlichkeit und globaler Vernetzung zum gläsernen Menschen zu werden. Da klingeln doch gleich die NSA- und TTIP-Glocken!

Dabei ist der US-Amerikaner Dave Eggers, geborgen 1970, bekannt für seine kritischen Beiträge zum Zeitgeschehen. Zuletzt schrieb er in »Zeitoun«, erschienen 2009, über den Terrorismuswahn der Amerikaner und über die Globalisierung in »Ein Hologramm für den König«, 2012. Doch »The Circle« sorgt nun seit seiner Veröffentlichung für eine erneute und überfällige Diskussion über die Kommerzialisierung der Netzwerke, Big Data und das Silicon Valley. Sein Bestseller, der stark an den legendäre Roman von George Orwell »1984« erinnert, wobei seine Heldin nicht mal mehr einer Gehirnwäsche unterzogen werden muss, zeigt, dass die Gefahr nicht mehr von der Politik, sondern von privaten Konzernen ausgeht. Am Ende steht die beunruhigende Frage: Wie nah ist unser Leben schon an Eggers Dystopie?

Dave Eggers: »The Circle«. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Köln: 2014.

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