Michael Hardt und Antonio Negri sind neben Slavoj Žižek und Alain Badiou so etwas wie die Superstars der radikalen Linken. Bekannt wurden der US-amerikanische Literaturwissenschaftler und der italienische Politologe mit ihrer Analyse der Herrschaftsverhältnisse im gegenwärtigen Kapitalismus. »Empire – die neue Weltordnung«, 2000 erschienen und 2002 ins Deutsche übersetzt, wurde kontrovers diskutiert und übte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die globalisierungskritische Bewegung und andere linke Strömungen aus. Es folgten dann binnen weniger Jahre zwei weitere Schriften, »Multitude« und »Commen Wealth«, die den mit »Empire« eingeschlagenen Weg fortzuführen versuchten. In »Multitude« konkretisieren die Autoren ihre Vorstellung einer Vielfalt (Multitude) von Singularitäten, die sie den vermeintlich homogenen Kollektiven der Vergangenheit entgegen setzen. »Common Wealth« plädiert für eine Auflösung des Privateigentums und die Schaffung von demokratisch verwalteten Kollektivgütern, so genannten Commons. Und nun: »Demokratie! Wofür wir kämpfen«, eine 120 Seiten umfassende Streitschrift, die auf Englisch und unter dem schlichten Titel »Declaration« zuvor schon einige Zeit im Internet kursierte. Weiterlesen

Noch zu Schulzeiten schrieb und veröffentlichte dieser genialische junge Mann sein erstes Buch, das zeit seines viel zu kurzen Lebens auch sein einziger großer literarischer Erfolg bleiben sollte. Ronald M. Schernikaus »Kleinstadtnovelle«, 1980 erschienen, handelt vom Coming-out in der deutschen Provinz und davon, wie schwierig es ist, im pseudoliberalen Mief der Post-Hippie-Ära politisch Haltung zu bewahren. Der Protagonist ist Schüler am Gymnasium, homosexuell, Kommunist und klüger als alle Mitschüler und Lehrer sowieso. Unverkennbar stand die eigene Person der Literatur Pate, doch trübt die biographische Fokussierung auch hier den Blick auf das Wesentliche, nämlich auf die ungeheuren literarischen Qualitäten dieses doch so kurzen Textes, auf die sprachliche Eleganz wie die stimmungsvolle Komposition. »Kleinstadtnovelle« ist, was der Titel verspricht – eine Novelle, die in ihrer Formstrenge und ihrem unbedingten Kunstwillen nicht ganz zufällig an das große Vorbild Peter Hacks erinnert. In einer besseren Welt wäre »Kleinstadtnovelle« Pflichtlektüre an allen Schulen in diesem Land.

Zu den einfachsten Grundübungen liberaler Sophistik gehört das Herausstellen der tatsächlichen oder vermeintlichen Ähnlichkeiten zwischen faschistischen und sozialistischen, respektive »rechten« und »linken« Systemen. Denn die Fakten liegen ja scheinbar auf der Hand. Haben Stalin und Mao nicht weit mehr Menschen auf dem Gewissen als Hitler und Mussolini? Und ist der Nationalsozialismus nicht in erster Linie ein national verbrämter, mit Antisemitismus und Rassenwahn angereicherter Sozialismus? Wer so »argumentiert«, kann sich in Deutschland, wo der Antikommunismus von jeher zum guten Ton gehört, des Beifalls sicher sein. Für Fortgeschrittene empfiehlt es sich indes, dem Ressentiment einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen. Ein ganzer Zweig der politischen Theorie lebt davon, ausgehend von Hannah Arendt auf die strukturelle Homologie zwischen den beiden politischen Extremen hinzuweisen. Das Zauberwort dafür heißt »Totalitarismus«, und der ist, das weiß heute jedes Kind, böse. Womit wir das Feld der politischen Auseinandersetzung verlassen haben und uns nunmehr im Sumpf der Moral befinden. Die Chancen, da wieder herauszukommen, stehen schlecht. Weiterlesen

Aus der Klassikerkiste: Bertolt Brechts »Die heilige Johanna der Schlachthöfe«. Zwar immer noch und im Zuge der Finanzkrise sogar wieder vermehrt auf deutschsprachigen Bühnen gespielt, zuletzt unter anderem am Wiener Burgtheater, in Darmstadt und in Weimar, ist »Die heilige Johanna der Schlachthöfe« wohl nicht das bekannteste Stück Brechts, sicher aber eines der radikalsten. Ein Abgesang auf den Idealismus und die auch heute weit verbreitete Manier, Politik durch Moral zu ersetzten. Zu spät merkt Johanna, die namensgebende Protagonisten des Stücks, dass Appelle an Großzügigkeit und Humanität zu keinem Ausweg führen: »Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht […]«. Merke: Wenn man nach der Lektüre die anhaltende Lust verspürt, das System zu stürzen, war das Lesen nicht vergebens.