Plan B Cover
»Zum ersten Mal wissen wir, dass es nichts gibt, jenseits von uns selbst … Draußen wirbelt die Galaxie vorbei, unbeachtet, gewaltig, schillernd.«

Denis Scheck nennt sie die »weibliche Antwort« auf Ernest Hemingway. Zwischen 1967 und 1987 waren ihre Romane und Kurzgeschichten die Trendsetter des Sience-Fiction-Genres und jedes Jahr wird ein Literaturpreis in ihrem Namen für Genre-Werke, die Geschlechterrollen diskutieren und erweitern, vergeben. Die Rede ist von Alice B. Sheldon, besser bekannt unter ihrem männlichen Pseudonym: James Tiptree Jr.


Eines wird beim Lesen des Sammelbands »Liebe ist der Plan« schnell klar: Tiptrees Kurzgeschichten zeichnen sich durch eine zynische Grausamkeit und einen revolutionären Weitblick aus. Schonungslos koppelt sie die Gehirnwindungen ihrer Figuren an Schaltkreise und Computer, schaltet ihr Schmerzempfinden – und damit ihre menschlichen Gefühle – aus oder lässt sie von kleineren Wesen – ganz im Sinne der kapitalistischen Nutzenmaximierung – als komfortable Heizkörper bewohnen. Verknüpft sind diese Gräueltaten mit plüschigen Begleitern, einem plastikartigen Hollywood-Life oder heroischen Heldentaten.
Gerade diese Symbiose schafft ein Panorama aus düsteren Geschichten, die trotz ihrer fernen Spielstätten unter die Haut gehen, die als Kritik am kapitalistischen Wettbewerb lesbar oder eine scharfe Analyse der menschlichen (Un)Menschlichkeit sind. Es war der Wunsch der Autorin, etwas vom Geheimnis und der Fremdheit des Daseins zu vermitteln. Das ist ihr auf brillante Weise gelungen.

 

Das Doppelleben der Alice B. Sheldon

Die Spannung aus scheinbar vorbildlicher Lebensbewältigung und menschlichen Abgründen zeigt sich auch im Leben der Autorin: Als Tochter aus einer oberen Mittelschichtfamilie aus Chicago verbringt sie große Teile ihrer Kindheit in Afrika, wird Malerin und Kunstkritikerin. Sie arbeitet für die CIA, bewirtschaftet eine Hühnerfarm, promoviert in Psychologie. Gleichzeitig plagen sie das Gefühl der Isolation, eine langjährige Amphetaminabhängigkeit und starke Depressionen. Mit 71 erschießt Sheldon erst ihren Mann und dann sich selbst, ein Selbstmordpakt unter Eheleuten.
Die Biographie »James Tiptree Jr. Das Doppelleben der Alice B. Sheldon« ist bereits 2013 beim Wiener Verlag Septime erschienen.

Der vorliegende Kurzgeschichtenband ist also nur ein Teil der Mammutaufgabe, die sich der Verlag seit 2011 stellt: Die zu Unrecht vergessene Science-Fiction Ikone James Tiptree Jr. wiederzubeleben und ihr gesamtes Opus auf Deutsch zugänglich zu machen. »Liebe ist der Plan« ist die Herausgabe des letzten Kurzgeschichtenbandes von sieben. Noch in diesem Jahr soll der erste Roman im Programm erscheinen.

 

Die Wiederbelebung der Alice B. Sheldon – eine Bereicherung

Eine Frau hat also diese Phantasmen geschrieben? Im Alter von 51 Jahren, mit grauen Löckchen und weißer Bluse? Undenkbar, für ihre Fans war das ein veritabler Schock.
Aber wie kam Alice B. Sheldon auf ihr Pseudonym und wie kam sie zum Schreiben?
In schlaflosen Nächten setze sie sich in ihre Küche und schrieb Geschichten zur Entspannung. Vor ihr stand ein Marmeladenglas mit der Aufschrift Tiptree.
Eine der geheimnisvollsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts war geboren!

 

Tiptree, James Jr.: Liebe ist der Plan. Septime: Wien 2015.

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