Das sollte es zumindest, damit am Samstag das Sams kommt. Der Schöpfer dieses rothaarigen Wesens mit blauen Punkten im Gesicht und »prallrundem Trommelbauch«, das immer einen vorlauten Spruch auf den Lippen hat, ist Paul Maar. Heute ist sein 75. Geburtstag. Wir gratulieren und nehmen dieses Jubiläum als Anlass, einen Blick auf Maars Biographie zu werfen.

Paul Maar wurde am 13. Dezember 1937 in Schweinfurt geboren. Nachdem seine Mutter früh gestorben war und sein Vater wieder geheiratet hatte, wuchs er weitgehend bei seinen neuen Großeltern in Theres, einem kleinen Dorf in der Nähe von Schweinfurt, auf. Er selbst sagt über seine Kindheit, dass sie nicht besonders glücklich war, vor allem das Verhältnis zum seinem Vater sei schwierig gewesen:

Ich hatte keine sonnige Bullerbü-Kindheit, eher deren krasses Gegenteil. Zuweilen kommt mir sowieso der Verdacht, daß meine Kolleginnen und Kollegen, die sich ganz dem Schreiben von Kinderbüchern verschrieben haben, eine von der allgemeinen Norm abweichende Kindheit hatten, extremer als andere Kinder: glücklicher oder zerstörter.

Maars Leidenschaft fürs Lesen wurde von seinem Vater alles andere als gefördert, er musste sich etwas Einfallen lassen, um überhaupt dazu zu kommen. Von einem älteren Jungen hatte er damals den Tipp bekommen, dass man sich in der Bibliothek des Amerikahauses kostenlos Bücher ausleihen kann. Und so zählten Autoren wie William Faulkner, Edgar Allan Poe, Thornton Wilder, Dorothy Parker oder Ernest Hemingway zu seiner Lektüre in Kindertagen. Die ausgeliehenen Bücher konnte er natürlich nicht mit nach Hause nehmen, sondern deponierte sie bei einem Freund, den er sehr regelmäßig besuchte, um dort »Hausaufgaben« zu machen. Zur Leseleidenschaft kam eine zweite dazu, die fürs Malen. Nach der Schulzeit studierte Maar an der Kunstakademie Stuttgart – und er begann zu schreiben, Lyrik und kleine experimentelle Texte. Sein erstes Kinderbuch, »Der tätowierte Hund«, erschien aber erst 1968, da war er selbst schon dreifacher Vater. Zuvor hatte er zehn Jahre lang als Kunsterzieher an einem Gymnasium gearbeitet. Diese Tätigkeit gab er zugunsten seiner freiberuflichen Tätigkeit als Verfasser von Literatur, Lyrik und Theaterstücken für Kinder, als Illustrator und Übersetzer englischsprachiger Kinderliteratur auf. Das Manuskript zu seinem ersten Kinderbuch hatte Maar einer Buchhändlerin gegeben, die es an den Verleger Friedrich Oetinger weitergeleitet hatte. Der Hamburger Verlag sollte zu seinem Hausverlag werden. Paul Maars schriftstellerisches Werk umfasst bis heute mehr als fünfzig Kinderbücher, zahlreiche Theaterstücke, Musicals und Opern für Kinder. Der Literaturwissenschaftler Malte Dahrendorf spricht 2006 in einem Essay von Maars »nur noch mit Friedrich K. Waechter vergleichbare[n] Mehrfachbegabung«. Maar selbst hat 1994 erklärt, dass es schwierig sei, ein bestimmtes Thema oder literarisches Prinzip in seinem Werk auszumachen, er spricht vielmehr von einigen »Grundstrukturen«, etwa dieser hier:

Ich spreche von meiner Vorliebe, bekannte Geschichten noch einmal neu und ganz anders zu erzählen oder davon, den gleichen Sachverhalt von mehreren Berichterstattern darlegen zu lassen, die von möglichst unterschiedlichen Standpunkten auf das Geschehen blicken.

Diese Struktur kommt schon in seinem ersten Kinderbuch zum Tragen, dort erzählt er unter anderem das Grimmsche Märchen von Hänsel und Gretel aus der Perspektive der Hexe, wodurch ein ganz neuer Blickwinkel auf die eigentlich altbekannte Geschichte entsteht.

 

Dass die Phantasie in Paul Maars Werk eine bedeutende Rolle spielt, ist wohl unumstritten. Damit lag er quer zum Zeitgeist der 1970er Jahre, in denen man den sozialkritischen Realismus bevorzugte. Maar schafft allerdings auch keine Parallelwelten, die neben der realen existieren. Bei ihm sind die phantastischen Elemente unmittelbar im Alltag seiner Buchhelden angesiedelt. Und bisweilen sorgen sie sogar dafür, die Realität zu verändern, zu verbessern. Verhilft doch das Sams dem schüchternen Herrn Taschenbier zu mehr Selbstbewusstsein und Rückgrat. Die Eigenschaften des Sams fasst Dahrendorf wie wir finden sehr treffend zusammen:

Das Sams steht für schrankenlos-ungehemmte Kindlichkeit, für Abenteuer, Spannung, Poesie; es ist das vollkommene Gegenteil zum gedrückten, phantasielosen Langweiler Taschenbier und verändert diesen von Grund auf. Es gehört zum Geschlecht der Pippi Langstrumpfs und Karlssons vom Dach, die uneingeschränkt entfalten dürfen, was der bürgerliche Lebensalltag tabuisiert

Und zum Schluss noch ein (samsiger) Tipp zum Geburtstagskaffee:

Man soll von allen Kuchencken

erst einmal die Sahne schlecken.

Denn so kann man schnell entdecken,

welches Obst daruntersteckt.

Ist erst die Sahne abgeschleckt,

ist das Obst nicht mehr verdeckt.

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