Als am 28. Juni 1914 der Erzherzog und österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo von serbischen Attentätern erschossen wurde, befand sich Europa in einem wirren Geflecht aus hegemonialen Interessen, ideologischen Treueversprechungen und nationalistischer Verblendung. Dennoch sah es vorerst nicht danach aus, als würde dieses Ereignis zu einem Krieg führen, die Staatsoberhäupter versuchten, den überkochenden Zorn in der öffentlichen Meinung zu besänftigen, Großbritannien unternahm insgesamt sieben Vermittlungsversuche und die Zweite Internationale tagte weiterhin, um den sozialistischen Zusammenhalt gegen die nationalen Differenzen zu demonstrieren. Innerhalb eines Monats wandelte sich diese Atmosphäre eines gefährdeten Friedens hin zu einer blinden Zerstörungswut, die den ganzen Kontinent in Dunkelheit stürzen sollte. „In ganz Europa gehen die Lichter aus,“ äußert sich der britische Außenminister Edward Grey während der Julikrise zu einem Freund, „wir alle werden sie in unserem Leben nie wieder leuchten sehen.“ Weiterlesen
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Taubheitsgefühl
Um sämtliche Missverständnisse gleich zu Beginn aus dem Weg zu räumen: Das kürzlich im Rowohlt-Verlag erschienene »Morphin« ist keineswegs die Fortsetzung von M. Agejews »Roman mit Kokain«. Vielmehr handelt es sich bei Szczepan Twardoch um einen Autor der Gegenwart, der die Handlung seines Erstlings ins Warschau am Ende der 30er Jahre versetzt, der goldenen Ära des Morphins. Protagonist Konstanty Willemann, von seinen Freunden kurz Kostek geheißen, erwacht eines Morgens, verkatert und hungrig, die Deutschen haben Polen gerade überrannt und für einen Reserveoffizier wie Kostek gibt es kaum etwas zu tun. Also besucht er die Cafés, in denen die geschlagenen Generäle und Majore schon über den Befreiungskrieg fachsimpeln, sieht sich die jüdische Oberschicht an, die mit bereits gepackten Koffern versucht, letzte Wertgegenstände gegen Bares einzutauschen und wandert die Straßen des zerstörten, »vergewaltigten« Warschaus hinunter. Weiterlesen
Aus Helden werden schlichte Männer
In der Schule wurde »Im Westen nichts Neues« von Erich Maria Remarque gelesen und wir wunderten uns: Wieso zogen unsere Urgroßväter einst freiwillig in den Krieg? Mein Großvater wusste die Antwort, doch statt sie zu sagen, mir von seinem eigenen Vater zu erzählen, drückte er mir ein Buch in die Hand: »In Stahlgewittern« von Ernst Jünger. Weiterlesen