Selten hat eine neue Technologie ihr Potential so wenig ausgeschöpft, wie das Elektronische Buch. Zwar wird in Studien davon ausgegangen, dass der Vertrieb von E-Books in Deutschland mehr als sechs Prozent ausmacht, im englischsprachigen Raum sogar noch mehr, doch rein vom Erscheinungsbild her hat sich seit dem Jahre 1988, in dem der erste elektronische Roman erschien („Mona Lisa Overdrive“ von William Gibson), nicht viel getan. Sicher, inzwischen gibt es stärkere Bildschirmbeleuchtung, schönere Seitendarstellungen und man kann seine virtuellen Bücher in virtuelle Regale stellen, doch das E-Book bleibt, was seine Kritiker ihm vorwerfen: Ein nicht ausgedrucktes Buch.
Das soll sich nun ändern, im rowohlt-Verlag erhebt sich ein E-Book, welches die Möglichkeit hat, den Grundgedanken elektronischer Literatur zu reformieren. Es ist eine Gutenberg-Monographie, eines von jenen Büchlein, welche einem ausder Schul- und Studienzeit als äußerst hilfreich in Erinnerung geblieben sind. Es ist aber mehr als das, der übliche Text ist durchbrochen mit eingebetteten Videos, Bildern, Schemata und anderen Nützlichkeiten.
Die mediale Komponente wird voll ausgeschöpft, man kann sich in einem Video die Funktionsweise der ersten Buchpresse oder das Verfahren des Bleisatzes erklären lassen, kann alte Handschriften mit ihren Druckversionen vergleichen oder der Herstellung von Druckbuchstaben beiwohnen. Es gibt viel zu tun und zum ersten Mal hat man weniger den Eindruck, ein Buch zu lesen, als durch ein virtuelles Museum zu streifen. Dass das erste „ebook plus“ den Urvater des Buchdrucks selbst thematisiert, zeigt auch, wie ernst es rowohlt mit seinem Anliegen ist. Es könnte der Anbeginn einer neuen Generation von Büchern sein.
Einziger Wermutstropfen: Bis dato läuft das E-Book in seiner extravaganten Version nur auf Apple-Geräten, alle anderen müssen mit der „normalen“ Version vorlieb nehmen. Das ist ein Missstand, den es noch auszugleichen gilt, vor allem deshalb, weil Apple technisch gesehen keinen E-Book-Reader vertreibt, sondern ein Tablet. Für jeden, der eines der teuren Schneidebrettchen sein eigen nennen kann, für den lohnt es sich definitiv, einen oder mehrere Blicke in „Johannes Gutenberg“ von Stephan Füssel zu werfen, für alle anderen gilt: warten und hoffen.