In Max Barrys Roman »Maschinenmann« nimmt der Drang zur permanenten Selbstoptimierung der menschlichen Physis erfrischend rustikale Züge an. Kein Fitnessstudio, um Muskeln aufzubauen und die Kondition zu erhöhen, keine plastische Chirurgie, um die Haut zu straffen und die perfekte Silhouette herzustellen. Der Körper ist kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems. Das wird Charlie Neumann bewusst, als das wenig spektakuläre Leben des scheuen Ingenieurs plötzlich durch einen Unfall aus den Fugen gerät. Eine hydraulische Zwinge hat Charlies Bein vom Oberschenkel abwärts in einen Haufen Matsch und Blut verwandelt, und die Prothese ersetzt das fehlende Glied nur äußerst unzureichend. Beim Versuch, die künstliche Bein zu verbessern, muss Charlie schnell erkennen, dass die mimetische Nachbildung der Natur in eine Sackgasse führt.

Ich dachte wie alle anderen: Der Zweck einer Prothese war, die Biologie nachzuahmen. […] Ich hatte das Ganze vollkommen falsch angepackt. Die Biologie war keineswegs ideal.

So wird der Verlust des Beins für Charlie, den Protagonist des Romans, unerwartet zur Chance. Wieder muss ein neues Bein her, aber nicht irgendeines, sondern ein »besseres Bein«. Ein mechanisches Körperteil, aus Chrom und Drähten, mit Schaltkreisen und Platinen. Und weil ein neues Bein allein nicht funktional ist – immerhin ist Symmetrie oberstes Gebot – inszeniert Charlie einen zweiten Unfall. Er verliert auch sein anderes Bein und die Transformation zum Maschinenmann kann beginnen.

Unterstützung erfährt Charlie zum einen in Gestalt der Prothetikerin Lola Shanks, zu der er sich hingezogen fühlt und die seine Liebe erwidert – wenn auch aus zunächst undurchsichtigen Gründen. Den technischen Support liefert hingegen »Better Future«, Charlies Arbeitgeber. Ein glücklicher Umstand, dass Charlies Wille zur Überwindung seines als hinderlich empfundenen menschlichen Körpers, der einer verengten naturwissenschaftlichen Ratio entspringt, mit den Geschäftsinteressen des Konzern perfekt korreliert. Bald gibt es »bessere Arme«, »bessere Augen« und »bessere Haut«, schließlich gar »bessere Gefühle«. Die körperliche Perfektion rückt in greifbare Nähe.

Gibt es einen vollkommenen Menschen? Man kann nicht meistens vollkommen sein. Oder manchmal. Entweder man ist vollkommen oder nicht. Und ich glaube nicht, dass die Biologie etwas Vollkommenes schafft. In der Biologie geht es um eine leistungsfähige Annäherung. Gut genug lautet ihre Devise.

Doch schon bald kommt es zu ersten Konflikte mit »Better Future«. Der einst so fürsorgliche und um das wohl seines Mitarbeiters besorgte Konzern zeigt sein finsteres Gesicht und greift, als der Profit bedroht scheint, zu rabiaten Mitteln. Das Tempo des Romans zieht an und der Trashfaktor nimmt weiter zu. Charlie merkt hingegen zu spät, dass die Amputation seiner Gliedmaßen auch seine Psyche in Mitleidenschaft zieht. So gerät »Maschinenmann« gegen Ende mehr und mehr zum Thriller, das zu Grunde liegende philosophische Problem, die Frage: »Wann ist ein Mensch ein Mensch?«, tritt in den Hintergrund, verschwindet aber glücklicherweise nie komplett. Über die ganze Strecke glückt somit der Spagat zwischen spannender Unterhaltung und Tiefgang, zumal ausgerechnet das letzte Kapitel des Romans noch einmal in die Vollen greift. Am Ende kommt Charlie, soviel sei an dieser Stelle verraten, seinem Traum näher als ihm lieb sein kann. Ein Happy End? Nicht wirklich.

Max Barry, geboren 1973, lebt und schreibt in Melbourne, Australien. »Maschinenmann« ist nach »Fukk« (1999), »Logoland« (2003) und »Chefsache« (2006) sein nunmehr vierter Roman. Entstanden ist »Maschinenmann« als täglicher Fortsetzungsroman im Internet. Für die Buchfassung wurde der Text umfassend überarbeitet und erweitert. Website: www.maxbarry.com 

Max Barry: Maschinenmann. Aus dem Englischen von Friedrich Mader. Heyne: München 2012. 

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