Maeve Brennan

Audrey Hepburn wäre die Idealbesetzung für die Rolle der Maeve Brennan. Das Leben der irisch-amerikanischen Schriftstellerin war tragisch und damit bestens für eine glanzvolle Hollywood-Produktion geeignet. Doch steht Audrey Hepburn für eine Verfilmung leider nicht mehr zur Verfügung und Maeve Brennan ist im kollektiven Gedächtnis fast vergessen. Zu Unrecht, natürlich.
Denn wer die Kolumnen von Brennan liest, die sie als Reporterin zwischen 1954 und 1981 für den »New Yorker« verfasste und kürzlich unter dem Titel »New York, New York« vom Göttinger Steidl Verlag in einer Neuübersetzung veröffentlicht wurden, der wird dem Charme und der Prägnanz der Kolumnistin verfallen.

Sie glaubt, dass kleine, preiswerte Restaurants die eigentlichen Herdfeuer der Stadt New York sind.

Maeve Brennan wurde 1917 in Dublin geboren, mittenhinein in die irische Diaspora. 1934 übersiedelte sie gemeinsam mit ihrer Familie nach Washington, D.C. und begann schon bald für den »New Yorker« Kolumnen zu verfassen. Als »Talk of the town« fasst sie ihre Betrachtungen alltäglicher New Yorker Begebenheiten zusammen, in welchen die Kolumnistin von Menschen erzählt, die ihr bei Streifzügen durch die Metropole über den Weg laufen. Es sind kleine Geschichten, manche bizarr und skurril, andere anrührend und traurig, in denen sie Männer und Frauen porträtiert, das Leben auf der Straße, in Parks, Cafés, Hotels. In knappen Worten skizziert Brennan dabei ein unüberblickbares New York, zerrissen zwischen den zu diesen Zeiten herrschenden Rassenunruhen, einer gedeihenden Kriminalität und bitterer Verarmung.

Es ist ein baufälliger, von Bars und kleinen Restaurants gesäumter Straßenzug, und gestern Abend schwärmten Matrosen in weißen Uniformen wie Bienen um die Türen all der Bars…

Brennan bemüht sich, innerhalb ihrer Kolumnen zumeist liebevoll und wohlwollend auf das Treiben der Bürger zu blicken. Doch steht auch sie allzu oft irritiert und mit großen Augen vor den Selbstentlarvungen ihrer Zeitgenossen.
Die Kolumnen heißen »Der Mann, der sich die Haare kämmte«, »Ich schaue aus den Fenstern eines alten Hotels am Broadway« oder »Die neuen Mädchen in der 49. Straße West«. Detailliert werden da die Frisur und die Augen, der Gesichtsausdruck und Handbewegungen der Passanten beschrieben. Es sind feine Charakterstudien, mit wenigen Strichen gezeichnet. Polizisten werden durchleuchtet und Geschäftsmänner verfolgt. Maeve Brennan entgeht nichts. Dabei entsteht ein beeindruckendes zeithistorisches Portrait einer Stadt, die niemals zur Ruhe kommt. So wenig, wie ihre Protagonisten.

Wenn jeder in dieser Stadt zur Raison gebracht und in die richtige Richtung geschickt würde, wäre New York schon bald ein sehr ruhiger Ort.

Man blickt durch die Augen der Autorin auf ein längst vergessenes New York, man kommt dem Mythos dieser unfassbaren Stadt näher. So nahe, wie man ihr als Tourist niemals kommen könnte.
Wie vielschichtig und verzehrend diese Stadt ist, das fasst Brennan bereits im Vorwort dieser Zusammenstellung zusammen: »Selbst nach mehr als fünfundzwanzig Jahren hält sich die langatmige Lady noch immer nicht für eine »echte« New Yorkerin.« Ob das irgendwer irgendwann überhaupt sein kann?

So viele Gesichter. New York von oben, ca. 1960.

Maeve Brennan: »New York, New York«. Aus dem amerikanischen Englisch von Hans-Christian Oeser. Steidl Verlag: Göttingen 2012.

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