»Albuquerque« ist Florian Wackers erster Roman, eine Sammlung aus 14 Erzählungen und im September im mairisch-Verlag erschienen.
Der 34-jährige Autor ist studierter Heilpädagoge, ursprünglich Stuttgarter und lebt heute mit seiner Familie in Frankfurt am Main. Für seine Veröffentlichungen in diversen Literaturzeitschriften und Anthalogien hat er schon mehrere Preise gewonnen, darunter auch den 2.Platz des MDR-Literaturwettbewerbs 2010. In »Albuquerque« ist Bunge wie vom Erboden verschluckt, Andy beeindruckt mit einer Arschbombe die Dorfjugend des Dahlenberger Freibads und Frank, der Busfahrer entdeckt die Schönheit der Sonnenstrahlen. Wacker erzählt von Drehmomenten des Alltags und lässt dabei seinen Leser gerne mit herausfordernden Fragezeichen zurück.
Lieber Florian, wie würdest du einen Moment beschreiben?
Einen Moment? Da kann alles passieren und gar nichts. Das ist ja das Klassische bei Kurzgeschichten: Man erzählt Momente und keine Geschichten.
Was interessiert dich an der Form der Kurzgeschichten?
Mhh… erst mal rein ökonomisch: Es dauert nicht so lange. An einem Roman sitzt du schon mal ein paar Jahre. Eine Kurzgeschichte kannst du – wenn es gut läuft – an einem Tag schreiben. Natürlich ändern die sich dann nochmal, aber ich schreibe die eigentlich immer erst mal so durch, leg sie hin, lass sie eine Woche liegen und gehe dann wieder ran. Dann geht die eigentliche Arbeit los.
Und das ist auch das faszinierende: Man ist relativ schnell drin. Man muss nicht wie bei einem Roman oder einer längeren Erzählung eine Vorgeschichte entwickelt. Du gehst direkt rein, schreibst zehn Seiten und gehst wieder raus. Es geht ja viel um Verknappung und Verkürzung und darum die Geschichte direkt auf den Punkt zu bringen…
Uns ist aufgefallen, dass es gerade bei jungen Autoren einen Kurzgeschichten-Hype gibt. Woran liegt das wohl?
Eigentlich ist es ganz komisch. Denn nach meiner Erfahrung in Deutschland oder einfach in Europa ist es so, dass man eher dem Roman zugeneigt ist. Bei Kurzgeschichten hast du bei einem Verleg generell eher schlechtere Karten. Schreibst du etwas kurzes, dann sagen die Leute : Uhhh…Wird das ein Roman? Oder: Schreibst du was Längeres? Das ist immer die zweite, oder erste Frage.
Vielleicht hat es aber auch was mit der Aufmerksamkeitsspanne zu tun. Es wird ja alles kürzer und verknappter. Eine Kurzgeschichte kannst du ganz pragmatisch nach Feierabend in der S-Bahn lesen.
Ich weiß auch gar nicht, ob ich das so gut finde, dass sich alles so verkürzt und man so schnell wegkommt…
Bei einem Kurzgeschichten-Band ist man ja dazu geneigt nach einem roten Faden zu suchen. Deine Erzählungen erwecken alle ein vages Gefühl…
Es gibt keinen. Also vielleicht gibt es einen, aber den habe ich nicht vorgesehen. Ich weiß, es gibt Kurzgeschichten-Bände, wie beispielsweise bei Jens Eisel, die über mehrere Stationen Kurgeschichten erzählen. Bei ihm ist es ja so, dass die Figuren öfter an den selben Orten auftreten… und so Teil einer hybridischen Erzählung sind.
Diesen Ansatz hatte ich gar nicht. Die Kurzgeschichten waren da, also machten ich und der Verlag ein Buch daraus. Ich habe jetzt nicht die Geschichten unter einem Oberthema wie – keine Ahnung – »Menschen der Arbeit« oder »Verlorenheit« rausgesucht.
Eine deiner Erzählungen trägt den Buchtitel »Albuquerque«, wodurch sie automatisch herausstricht. Zu Recht?
Nein. Wir haben uns nur gesagt: Das klingt nach einem guten Buchtitel. Das ist ja generell das Schwierige bei der Titelfindung. Wenn du den Titel einer Kurzgeschichte nimmst, dann interpretiert der Leser das automatisch als Signal und sucht nach der Besonderheit der Geschichte. Natürlich: »Albuquerque« ist die Erzählung, die am weitesten weg spielt und eine räumliche Distanz hat. Für viele ist Amerika ja auch das Land der Träume, da könnte man sicherlich eine Verbindung sehen, die von mir und meinem Verlag aber nicht intendiert war. Der Titel klang cool und wir fanden alle das Albuquerque so ein Wort ist, das verwirrt, aber auch neugierig macht und ins Auge springt. Man denkt: Ist das nicht so eine Stadt in Amerika? Aber man weiß es auch nicht mehr so genau, man muss nochmal bei Wikipedia nachgucken, weil man es vergessen hat. Trotzdem glaube ich, dass bei solchen Entscheidungen unbewusst auch immer etwas mitschwingt. »Albuquerque« ist eine Geschichte, die am weitesten weg zeigt und irgendwie doch als Leitmotiv funktioniert.
Im Klappentext des Buches steht: »Auch wenn die meisten von ihnen einfach Leute sind, haben doch alle eine Idee davon, was es bedeutet, wirklich intensiv zu leben.« Warum sind deine Figuren eher einfache Leute?
Es geht ja beim Schreiben auch darum, dass man die Figuren mit Würde behandelt. Es ging mir dabei nicht darum, dass ich jetzt einen Arbeiter nehme, ihn in Gossensprache sprechen und den Mädchen hinterher pfeifen lasse – das wäre ja auch ein Klischee. Es geht glaube ich darum, als Autor seine Figuren würdig zu behandeln, egal was sie für einen Job haben. Sie eigenständige Ideen oder Gedanken entwickeln zu lassen… Ein Maler ist dabei vielleicht nicht so reflektiert wie ein Hochschulprofessor, aber er hat sicher auch seine Momente. Manchmal verklausoliert es sich halt ein bisschen, aber dann ist das halt so.
In drei deiner Erzählungen stellt du deinen Figuren Flüchtlinge, Gastarbeiter und illegale Einwanderer gegenüber. Bilden sie einen Gegenpol?
Natürlich ist Flüchtlingspolitik ein Thema, das mich persönlich interessiert. Es sind diese Gegensätze, die ich da aufgreife, die es ja auch in unserem Alltag gibt: Wir hören irgendwas von Bootsflüchtlingen und gucken danach »Wer wird Millionär?«
Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich einen politischen Anspruch hätte, ich habe eher die Themen verarbeitet, die einem so im Alltag entgegenkommen. Der Unterschied ist nur, dass die Figuren hier direkt konfrontiert werden und das Medium dazwischen raus genommen ist.
Bei Budde zum Beispiel ist das ja auch so ein Drehmoment, wo er merkt: Das ist nicht irgendein Flüchtling. Er hat ja vorher schon einen Hass auf die, weil sie ihm seinen Arbeitsplatz weggenommen haben. Erst durch die Konfrontation merkt er, dass sie keine Hass-Objekte, sondern Menschen wie er selbst sind, halt in einer anderen Situation. Das sind diese Drehmomente, die man auch manchmal überliest…
Letzte Frage: Was kommt als Nächstes?
Gute Frage. Momentan arbeite ich gerade an einem Theaterstück mit dem Verlag der Autoren. Es spielt in so einer Endzeit, also man könnte meinen das es das tut…
Aber es gibt auch Ideen für einen Roman, weil ich bisher auch eher an längeren Geschichten gearbeitet habe. Hätte der Verlag mich nicht gefragt, ich hätte nicht daran gedacht einen Kurzgeschichten-Band zu machen.
Lieber Florian, ich danke Dir für das Gespräch.