Die Lehre der diesjährigen Buchmesse ist klar verständlich und erbauend: Jeder ist ein Autor, er muss nur mindestens im Internet einen Blog unterhalten. Wo einst das Sterben der Musikbranche feierlich ignoriert wurde, wird heuer der anstehende Tod des Buchhandels thematisiert: auf dem Frankfurter Messegelände. Die Verlage sind nervös, die Autoren gelassen. Mit Jussi Adler-Olsen im Geiste treffen wir uns zur Mittagszeit vor dem Bratwurststand und untermauern unsere eigenen Visionen mit »Pommes Rot-Weiß«.
Mit großen Augen irren wir durch den Bücherwald der Verlagsgruppe Random House. Eine blonde Medienfrau (die eigentlich gerade über einen Witz von Elke Heidenreich lachen wollte) klärt uns auf: »Die Verlagsgruppe Random House, Inc. inklusive der zugehörigen Dachmarke Random House befindet sich im Besitz der Bertelsmann AG und fungiert als Dachgesellschaft für alle Bertelsmann-Verlage.« Als ob wir das nicht schon von Wikipedia wissen würden. Das ausgestellte Programm dieses Verlags-Kolosses lässt uns ratlos zurück. Wir fragen uns, ob denn nicht schon viel zu viele Menschen »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« gekauft und womöglich auch gelesen haben. Zügig bahnen wir uns unseren Weg durch die Gassen. Auf den überfüllten Toiletten schütteln wir uns kräftig durch. Es wird besser, denn bald schon kommen wir am Stand unseres heimlichen Lieblingsverlages liebeskind an. Die Auswahl der Bücher ist herrlich. Die Gruppe einigt sich: Das gesamte Programm ist toll. Wir reißen uns schweren Herzens los. Wir haben Termine.
Zur Verabredung mit Andreas Stichmann treffen wir pünktlich am geschniegelten Rowohlt-Stand ein. Wir wollen über seinen gefeierten Debüt-Roman »Das große Leuchten« sprechen, haben aber ganz vergessen, dass Lothar Matthäus zeitgleich seine Autobiographie auf der Messe vorstellen will. Ein mittelschwerer Fauxpas, der uns bei der Messevorbereitung unterlaufen ist. Immerhin haben wir das Gelände nun für uns alleine: Die Polizisten sind beschäftigt, die Fotografen abgestellt und der Hof ist leer. In entspannter Atmosphäre plaudern wir mit Andreas Stichmann über die Vorzüge und Gefahren des Reisens. Wir beschwören unsere gemeinsame Bewunderung für Leif Randts »Schimmernder Dunst über CobyCounty« herauf und verabreden uns »auf bald!«
Kaum haben wir uns umgedreht, läuft uns die wunderbare, talentierte, anmutige Olga Grjasnowa über den Weg. Schnell ist ein Termin fürs ungezwungene Plaudern gefunden, abseits des großen Auflaufs. Noch bevor wir uns verabschieden, haben wir uns heimlich verliebt.
Während die Bestellung des ersten Bieres auf sich warten lässt, rattert Burkhard Spinnen an uns vorbei. Auf unseren flotten Anmachspruch von der Seite geht er nicht ein – er ist im Gespräch mit seiner Frau. Das Bier ist Essig. Wir trinken lieber Wein – und das am Abend in unserem Stammlokal im Frankfurter Nordend. Die trockene Luft in den Messehallen ist nicht jedermanns Geschmack.