»Das Gespenst des Kapitals« – der Titel von Joseph Vogls 2010 erschienenem Essay, der  gleichermaßen an Marx‘ Opus Magnum wie an Derridas »Spectre de Marx« erinnert, gibt die Richtung vor. Hier betreibt jemand die Fortführung einer Kritik der politischen Ökonomie mit poststrukturalistischem Begriffs- und Analyserepertoire. Und wie! Unerbittlich und doch präzise seziert Vogl die liberal-kapitalistische »Oikozidee«, wonach »der Markt« die Dinge früher oder später schon regeln wird. Bisweilen kann man ob der Belesenheit des Autors dabei beinahe vergessen, dass der Literaturwissenschaftler Vogl gar nicht vom Fach ist. Für den in ökonomischer Theorie weitgehend unbewanderten Leser gestaltet sich die Lektüre nicht unbedingt einfach, aber die Mühe lohnt. Muss man alles en détail verstehen, was Vogl herbeizitiert? Nein. Muss man »Das Gespenst des Kapitals« trotzdem lesen? Unbedingt.

Aus der Klassikerkiste: Bertolt Brechts »Die heilige Johanna der Schlachthöfe«. Zwar immer noch und im Zuge der Finanzkrise sogar wieder vermehrt auf deutschsprachigen Bühnen gespielt, zuletzt unter anderem am Wiener Burgtheater, in Darmstadt und in Weimar, ist »Die heilige Johanna der Schlachthöfe« wohl nicht das bekannteste Stück Brechts, sicher aber eines der radikalsten. Ein Abgesang auf den Idealismus und die auch heute weit verbreitete Manier, Politik durch Moral zu ersetzten. Zu spät merkt Johanna, die namensgebende Protagonisten des Stücks, dass Appelle an Großzügigkeit und Humanität zu keinem Ausweg führen: »Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht […]«. Merke: Wenn man nach der Lektüre die anhaltende Lust verspürt, das System zu stürzen, war das Lesen nicht vergebens.