Eine Kugel aus Grashalmen, gerade so groß, dass sie gut in eine kleine Hand passt, steht am Anfang und am Ende von Antje Damms Geschichte »Kiki«, die morgen beim Hanser Verlag erscheint. Die Kugel war das letzte Geschenk, das Antje, die Protagonistin, von ihrer Freundin Kiki bekommen hat, denn Kiki ist tot. Der Tod von Kiki steht allerdings nicht im Fokus der Handlung, es geht der Autorin vielmehr darum von der Freundschaft der beiden Mädchen zu erzählen, von dem, was sie in ihrer gemeinsamen Zeit erleben.
Die inzwischen gelb gewordenen und vertrockneten Grashalme zu Beginn der Geschichte verdeutlichen den zeitlichen Abstand, der zwischen Rahmen- und Binnenerzählung liegt. Antje, die mittlerweile erwachsen gewordene Ich-Erzählerin, kennt die Überraschung, die ihre Freundin darin für sie versteckt hat, immer noch nicht:
Ich weiß nicht, was es ist, denn dafür hätte ich die Kugel kaputtmachen müssen und das wollte ich nicht. Aber ihre Geschichte, die kann ich euch erzählen.
Und das tut sie dann auch. Sie erzählt den Lesern die Geschichte jener Kugel, die Geschichte von ihrer Freundschaft zu Kiki: Antje und Kiki, die eigentlich Kirsten heißt, lernen sich im Herbst, kurz nachdem Antje mit ihren Eltern und den zwei kleinen Brüdern aufs Land gezogen ist, kennen. Die Freundschaft ihrer Mütter bringt die beiden Mädchen zusammen und sie entdecken schnell ihre Sympathie füreinander. Es folgt ein Jahr voller gemeinsamer Erlebnisse und Abenteuer. Kiki ist die abenteuerlustigere von beiden, sie ist unbekümmerter, sorgloser und bringt die etwas vorsichtigere Antje manchmal dazu, an ihre Grenzen gehen und sie zu überschreiten – etwa dann, wenn sie Kiki dazu animiert, etwas im Mohr, dem kleinen Lebensmittelgeschäft ein paar Straßen weiter, zu klauen:
Als wir um die Ecke gebogen waren, schwenkte ich die Möhren vor ihrer Nase rum und rief: „Ich hab mich getraut!“ Kiki sagte: „Na ja, Möhren hätte ich ja nicht gerade geklaut.
Ihre gemeinsame Geschichte endet an einem grauen Novembertag, an dem Kiki einen tödlichen Verkehrsunfall hat. Obwohl, tut sie das wirklich? Eigentlich nicht, denn die Erinnerung an Kiki bleibt. Sie ist selbst bei der erwachsenen Antje noch so lebendig, dass sie ihre Leser auf eine authentische Reise in ihre Kindheit mitnehmen kann. Antje Damm ist es gelungen, glaubwürdig und liebevoll von der Freundschaft zwischen zwei Kindern zu erzählen, einer Freundschaft, die schön und traurig zugleich ist, weil sie viel zu schnell vorbei ist.
Und was in dem Strohkügelchen drinsteckt, das Kiki für ihre Freundin gebastelt hat, bleibt auch am Ende offen:
Vielleicht ist gerade die Vorfreude, noch etwas von Kiki zu bekommen, so schön, dass ich es nie öffnen werde.
Antje Damm: Kiki. Carl Hanser Verlag: München 2012. Zum Vorlesen und ersten Selberlesen.