Es gibt viele Gründe, T. C. Boyle zu lesen. Und trotzdem fällt es schwer, zu beschreiben, welche Art von Geschichten er erzählt. Auf den ersten Blick wirkt das gewaltige Konglomerat aus kurzen Erzählungen und Romanen mit den verschiedensten Strömungen und Themen durchwachsen, ein heterogenes Gestrüpp der unterschiedlichsten literarischen und politischen Epochen. Doch je näher man die einzelnen Geschichten betrachtet, je näher man mit dem Objektiv des Lesers an die einzelnen Figuren heranrückt, um in beinahe voyeuristischer Manier ihr Schicksal zu betrachten, desto mehr wird ein roter Faden auffällig, eine Grundierung, die sich unter allem befindet. Natürlich variieren Setting und Handlung von Buchdeckel zu Buchdeckel, mal dreht es sich um den Erfinder der Frühstücksflocken, mal um Stuntmen und Marihuana-Bauern, und dennoch hat man bei der Lektüre immer den selben Geschmack im Mund, eine morbide Faszination am Unheil und die Gewissheit, dass es zu solchem kommen wird. Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Amerikanische Literatur
Land in Sicht!
Ein neues Jahr, ein neuer Boyle. Beglückte der Hanser-Verlag die Leser 2012 noch mit dem Ausflug ins Tierreich »Wenn das Schlachten vorbei ist«, so steht nun schon das nächste Werk vor der Tür: »San Miguel«, benannt nach der Insel vor der kalifornischen Küste, die gleichzeitig auch den Handlungsort liefert.
Bereits im Vorfeld gab es viel Furore: »Das wird sein erster Roman ohne Sarkasmus!«, sagten die einen, »Er bleibt sich treu«, sagten die anderen. Die Wahrheit liegt – wie so oft – irgendwo in der Mitte. Sicher ist das ein Roman von T. C. Boyle, das merkt man auf jeder Seite, zwischen jeder Zeile, in jedem Gedanken. Doch die Atmosphäre wirkt nüchtern, weniger überdreht, beklemmend. Das Elend passiert, das steht fest, doch beim Leser bildet sich nicht die sonstige süffisante Schadenfreude gepaart mit Fassungslosigkeit, sondern vielmehr Mitleid und Bedauern. Weiterlesen