9783551769046Sie hat nicht lange auf sich warten lassen, die Fortsetzung des Ende letzten Jahres erschienen Mangas »Wet Moon«: Atsushi Kaneko entführt die Leser wieder in die düsteren Welten Japans der 60er Jahre und erzählt die verworrene Geschichte rund um den von Amnesie geplagten Protagonisten Inspektor Sata, die japanische Mondmission und einen Korruptionsskandal innerhalb der Polizei weiter. Dabei ist es ebenso erfrischend wie traurig zu hören, dass die Reihe nicht als endlose Serie mit zig Bänden geplant ist, sondern vielmehr mit dem dritten Buch (Erscheinungstermin: 30.05.) enden wird.

Erneut muss sich Protagonist Sata seinen inneren Dämonen zu stellen.

Der zweite Teil der Serie setzt da ein, wo der vorhergehende Band aufhörte, in dem Moment, als Protagonist Sata ein Treffen mit dem mysteriösen Informanten Tamayama arrangieren kann. Dieser ist ein zwerghafter Albino, der im Rollstuhl sitzt und dessen Information dem ratlosen Inspektor auf den ersten Blick kaum hilfreich erscheint. Denn obgleich Tamayama genau Bescheid zu wissen scheint um den Fall der rätselhaften Femme Fatale Kiwako Komiyama, um den Gegenstand, den sie bei ihrer Flucht gestohlen hat, und um den mysteriösen Splitter in Satas Gehirn, so hält er diese Informationen vorerst noch vor dem Protagonisten und dem Leser verborgen.

Als Sata nach dem Treffen genauso verwirrt und ziellos wie zuvor den Strand absucht, an dem er die rätselhafte Frau in der Eingangsszene des ersten Bandes aus den Augen verlor, findet er zwischen den Ruinen alter Fischerhäuser und der inzwischen stillgelegten Fabrik, in der Kiwako Komiyama vor ihrer Flucht arbeitete, einen Fetzen ihres Trenchcoats, der – im Gegensatz zu der gesamten restlichen Welt – in hellem Rot leuchtet. Diese Motivik erinnert stark an Frank Millers »Sin City«, dessen Noir-Welten ebenfalls immer nur durch einzelne, farbige Elemente durchbrochen werden, in der Welt der Mangas stellt dies jedoch eine sehr selten verwendete Technik dar.

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Ein Wiedersehen im Mondenschein.

Im weiteren Verlauf des Buches kommt Sata dem roten Trenchcoat immer näher, nebenbei schafft er es auch die Korruption seiner Kollegen aufzudecken und findet heraus, dass sein früherer Chef das Opfer seiner eigenen Untergebenen wurde. Im letzten Kapitel findet jedoch ein Shift statt und anhand einer Rückblende erfährt der Leser das Schicksal der Kiwako Komiyama, die eigentlich nie eine Femme Fatale sein wollte, und deren Schicksal dennoch mit größeren Dingen zusammenhängt als dem eigenen Überleben. Zu viel soll an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden, tatsächlich lässt sich auch vieles noch nicht definitiv sagen, denn »Wet Moon Vol. 2« wirft mindestens ebenso viele neue Fragen auf, wie es beantwortet. Wieso weiß Tamayama, was in der Zukunft vor sich geht? Wie kam der Splitter in Satas Gehirn? Und was hat das ganze mit dem Mondfahrprogramm Japans zu tun?

Vieles bleibt (noch) ungesagt, denn just in dem Moment, als sich die beiden Schlüsselfiguren, der Inspektor und die Femme Fatale unter einem bedrohlich am Himmel hängenden Vollmondgegenüberstehen, endet der Band. Es bleibt also spannend und abzuwarten, ob und wie der dritte Band die Fäden zusammenführen und die Geschichte zu einem Ende bringen kann. Doch angesichts der narrativen Geschicklichkeit und brillanten Spannungsführung, mit der Atsushi Kaneko seine Figuren durch die erzählte Welt bewegt, darf man optimistisch sein. Vielleicht ist es der Autor selbst, der durch die Figur Tamayama zum Leser spricht, wenn dieser zu Sata sagt: „Wir bewegen uns in Ihrer Zukunft.“

Moon
Der Mond aus Georges Méliès‘ »Voyage dans la lune«, Leitmotiv und Schlüsselfigur von »Wet Moon«.

Atsushi Kaneko: Wet Moon Volume 2. Carlsen: Hamburg 2016.

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