Ein großes Ereignis beschäftigt die Verlagswelt schon seit Anfang des Jahres: Michael Krüger, der Titan der deutschen Literatur und bis dato Leiter des Hanser Verlags, geht in den wohlverdienten Ruhestand. Über seinen Nachfolger Jo Lendle sind die Meinungen momentan zwar noch geteilt, so viel hat man bisher vernehmen können: ist jung, aber nicht unerfahren, nett, aber nicht naiv und nebenbei auch Autor.
2011 erschien in der Deutschen Verlagsanstalt »Alles Land«, ein Roman, dessen einziger Fehler es zu sein scheint, dass er nach »Die Vermessung der Welt« erscheinen musste. Denn wäre anders herum gewesen, es wäre durchaus möglich, dass Jo Lendle gar nicht den Posten bei Hanser antreten könnte, weil er viel zu beschäftigt wäre, Bestseller zu schreiben. Das es nicht so ist, ist also auch gut, denn Hanser braucht schließlich einen Verleger. Lendle erzählt in »Alles Land« die Geschichte von Alfred Wegener, dem wohl bedeutendsten Meteorologen und Polarforscher seiner Zeit. Bekannt wurde Wegener vor allem für die Theorie des Kontinentaldrifts, die aber zu seinen Lebzeiten nur selten auf offene Ohren stieß. Der Roman verfolgt in auf wahren Begebenheiten beruhenden und anschließend fiktionalisierten Szenen Wegeners Leben von den Kindheitstagen bis hin zu seinem Tod – wie es sich für einen Polarforscher eben gehört – im Eis. Jo Lendles großer literarischer Verdienst ist hierbei, dass er den eigentlich sehr nüchternen bis tragischen Lebenslauf des Protagonisten mit einer Süffisanz und sprachlichen Verspieltheit schildert.
Sein Vater setzte sich an sein Bett und riet ihm, das Bild zu vergessen. Willi sei jetzt im (sic!) Herrn. Dabei wusste Alfred ja, dass er im Kanal war.
So ist »Alles Land« eines dieser Bücher, bei denen man abwechselnd schmunzeln und Tränen unterdrücken muss. So ungewiss für manchen auch Jo Lendles Zukunft als Verleger bei Hanser auch sein mag, auf seine bisherige Vergangenheit als Autor kann er schon jetzt stolz zurückblicken. More to come. Hoffentlich.