»Wo kommen die Worte her?«, fragte Luise Kaschnitz 1962 in »Ein Gedicht«. Der Autor und Verleger Hans-Joachim Gelberg hat diese Frage über 100 Autoren mit auf den Weg gegeben, als er sie zur Mitarbeit an seiner nunmehr fünften, nach der Verszeile aus Kaschnitz‘ Gedicht benannten Lyrikanthologie eingeladen hat. Im April ist die zweite Auflage erschienen.
Die verschiedenen Antworten, die er darauf bekommen hat, ziehen sich wie ein roter Faden durch die von ihm herausgegebene Gedichtsammlung: Eine, die von Frantz Wittkamp, hat uns besonders gut gefallen:
Weißt du nicht, wo ein Wort entsteht?
Im Buchstabengarten, im Alpha-Beet.
Neben allerlei Sprachspielereien wie dieser bietet die Anthologie ABC-Gedichte, Verse die wir alle noch aus unserer eigenen Kindheit kennen, visuelle Poesie, Rätsel in Gedichtform, Humorvolles, Philosophisches, aber auch Ernsthaftes. Dazu zählt etwa das Gedicht »Ein Koffer spricht«, das Ilse Weber vor ihrer Deportation von Theresienstadt nach Auschwitz verfasst hat.
Die Welt der Wörter steht im Fokus, es geht darum was wir mit Worten machen und was Worte mit uns machen, so wie es Max Kruse beschreibt:
Worte können dich betören,
lügen, prahlen oder schwören,
dich in tiefstem Schmerz ertränken
und die höchsten Freuden schenken.
Auch ältere Gedichte aus dem frühen 19. Jahrhundert sind neben den eigens für die Anthologie verfassten Beiträgen von bekannten und weniger bekannten Autoren zu finden. Im Ganzen liegt der Schwerpunkt jedoch auf Texten aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Zu den insgesamt über 150 Autoren zählen bekannte (Kinder-) Lyriker und Schriftsteller wie Josef Guggenmos, James Krüss, Bertolt Brecht, Joachim Ringelnatz, Christian Morgenstern, Christine Nöstlinger und Paul Maar, um nur einige von ihnen zu nennen.
Allerdings sollten nicht nur die Worte, sondern auch die Bilder erwähnt werden, die eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Gelberg hat Künstler wie Rotraut Susanne Berner, Axel Scheffler, Nikolaus Heidelbach und viele mehr für sein Projekt gewinnen können. So sind tolle Illustrationen entstanden, Illustrationen, die eine gekonnte Verbindung zwischen Text und Bild herstellen.
Die Gedichtsammlung ist vielfältig: Sie macht vor allem Spaß, zuweilen aber auch nachdenklich, sie bringt uns oft zum Lachen, manchmal aber auch zum Innehalten. Sie macht auf die unglaubliche Vielfalt von Sprache aufmerksam. Der Untertitel, übrigens eine Idee von Gelbergs Enkelin Elisa, trifft den Nagel auf den Kopf: »Gedichte und Bilder aller Art« für Kinder – und Erwachsene!
Zum Schluss noch ein Vers von Frantz Wittkamp:
Der Letzte macht das Gedicht aus.
Hans-Joachim Gelberg (Hrsg.): Wo kommen die Worte her. Neue Gedichte für Kinder und Erwachsene. Gedichte und Bilder aller Art. 2. Auflage. Beltz & Gelberg: Weinheim u.a. 2012