Kein Weg führt daran vorbei, an einer Liste der besten Bücher des Jahres 2012.
Sie soll als Protokoll dienen, als Licht im Dschungel, Happening, Klischeebekundung und unbedingte Empfehlung.
Wir haben uns im Dienste der Literatur die Haare gerauft und Koalitionen geschlossen. Doch kam niemand von uns an diesen zehn Büchern des Jahres vorbei. Es sind die besten Bücher. Finden wir!
(Die Liste ist nach alphabetischen Gesichtspunkten sortiert. Ohne Präferenzen.)

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Stella Dreis

Zugegeben, ein paar Worte gibt es in Stella Dreis Wimmelbuch »Grimms Märchenreise« schon. Aber erst zum Schluss. Auf einer Doppelseite am Ende des Buches werden die zuvor in Bildern entwickelten Märchen jeweils kurz zusammengefasst. Das 200jährige Jubiläum der Brüder Grimm war für die Illustratorin und den Thienemann Verlag Anlass, dieses Buch herauszubringen.

Eine weitere Besonderheit ist, dass die die Märchen nicht getrennt voneinander erzählt werden, sondern parallel. Bereits auf der ersten Doppelseite sieht, wer genau hinschaut, alle Haupt- und Nebenfiguren der insgesamt sieben verschiedenen Märchen: Hänsel und Gretel, die sieben Brüder, die später von ihrem Vater zu Raben verwünscht werden, die Bremer Stadtmusikanten, die Ziege und ihre sieben Geißlein, Frau Holle, Schneewittchen, die sieben Zwerge, den gestiefelten Kater und nicht zuletzt das Rotkäppchen. Ihm kommt eine besondere Rolle zu:

Rotkäppchen führt durch Grimms Märchenwelt! Auf jeder Doppelseite ist es sieben Mal zu sehen … Es ist auf der Suche nach seinem roten Käppchen.

Dem Betrachter eröffnen sich beim Anschauen phantasievolle und lebendige Bildwelten, auf denen man das Schicksal der jeweiligen Protagonisten (nachdem man sie gefunden hat!) verfolgen kann. Wenn man die Märchen kennt, macht das umso mehr Spaß. Dann sieht man an den vielen kleinen Details, zum Beispiel dem Uhrenkasten, in dem sich eins der sieben Geißlein vor dem Wolf verstecken konnte, wie intensiv sich Stella Dreis mit der Thematik auseinandergesetzt hat. Vorher oder parallel zum Anschauen das Grimmsche Märchenbuch aus dem Regal zu nehmen und (nach) zu lesen, ist also empfehlenswert. Und weil es ein »Wimmelbuch« ist, gibt es sehr viel zu entdecken, das Buch mehrmals anzuschauen lohnt sich – man findet fast immer etwas Neues, das man vorher noch nicht gesehen hat.

Stella Dreis ist es mit ihren collagenartigen Illustrationen, die aus mehreren Schichten zu bestehen scheinen, gelungen, die verschiedenen Märchen gekonnt miteinander zu verweben. Der Titel hält, was er verspricht, ihre Bilder nehmen den Betrachter mit auf eine Reise in die Märchenwelt der Brüder Grimm – ganz ohne Worte.

Die 1972 in Plovdiv, Bulgarien, geborene Illustratorin hat schon im Kindesalter begonnen, zu malen. Zu ihren Lehrern gehörten die bulgarische Künstlerin Antoneta Zvetkova und Prof. Popovski. In den frühen 1990er Jahren beschloss sie, nach Deutschland zu gehen, wo sie seit 1995 studiert und arbeitet. Nachdem sie einige Jahre im Modebereich tätig war, wandte sie sich wieder der Illustration zu – für ihr erstes Buchprojekt »De stad die ervandoor ging« (»The city that went away«) wurde sie für den Hasselt Book Price nominiert und ihr Buch wurde bei Clavis Publishers verlegt. Heute lebt und arbeitet sie in Heidelberg.

 

Stella Dreis: Grimms Märchenreise. Ein Wimmelbuch. Thienemann: Stuttgart u.a. 2012.

Stella Dreis im Interview mit dem Thienemann Verlag