Taufrisch ist sie nicht mehr, Tzvetan Todorovs »Einführung in die fantastische Literatur«, und wer hier einen Überblick über Motive und Tendenzen der fantastischen Literatur der vergangenen Jahre erwartet, launig und gut lesbar aufbereitet, ist klar an der falschen Adresse. Aber eine solch zusammenfassender Abriss mit Anspruch auf Unterhaltung wie auf Information war auch schon bei Erscheinen nicht das Ziel der knappen Studie. Stattdessen betreibt Todorov Literaturwissenschaft mit Betonung auf Wissenschaft, und das wirkt in einer Zeit, in der die Grenzen zwischen wissenschaftlichem Schreiben und quasi-literarischer Essayistik zunehmend verschwimmen, in höchstem Maße unzeitgemäß. Der analytische Rigorismus, mit dem hier der Literatur auf den Leib gerückt wird, ist heute kaum mehr zu finden. Er gehört ganz einer Epoche an, in welcher der Strukturalismus das maßgebliche Paradigma der Literaturwissenschaft war, verbunden mit bis heute klingenden Namen: Roland Barthes, Umberto Eco, Julia Kristeva. Und nicht zuletzt: Tzvetan Todorov. Weiterlesen

Schöpfung, geboren aus Wahn, Furcht und Ohnmacht. Die Angst vor dem unendlichen, grauenerregenden Abgrund, der hinter der brüchigen Fassade der modernen Welt lauert, hat ihn zeit seines kurzen Lebens umgetrieben. Und sie hat Seltsames, gar Widersprüchliches hervorgebracht. Im Privaten war Howard Phillips Lovecraft ein weltfremder Sonderling mit zum Teil fragwürdigen politischen Ansichten. Im Künstlerischen hat er weit mehr geschaffen als ein umfangreiches und einzigartiges literarisches Werk – er hat einen Mythos ins Leben gerufen, der bis heute in Literatur, Musik und Popkultur fortwirkt. Das fiktive Buch Necronomicon, das etwa Tocotronic auf ihrem 2002er Album besingen, geht ebenso auf Lovecraft zurück wie die vielfach kolportierte Vorstellung einer mysteriösen außerirdischen Rasse, genannt »die Großen Alten«. Wichtiger als der Nachruhm und die Nachahmer ist aber, dass Lovecrafts Romane, Erzählungen und Kurzgeschichten auch heute noch unbedingt lesenswert sind. Genauso wie der grandiose Lovecraft-Essay von Michel Houellebecq, »Gegen die Welt, gegen das Leben«.