Welchen Geschmack hat Zynismus? Und welche Farbe besitzt Desillusionierung?

In Anna Kordsaia-Samadaschwilis »Ich, Margarita« erwartet man zunächst keine der beiden Stimmungen. Auf dem Cover zeigt eine junge Frau beim rasanten Radschlagen (oder beim Breakdance, so genau kann man das nicht sagen) ihren Bauchnabel. Dieses Bild, in Verbindung mit dem selbstbewussten, ein wenig frechen Titel, erweckt sofort den Eindruck, man lese einen der inzwischen in Mode gekommenen »Verlorene Jugend/ Adoleszenz /Coming of Age-Romane«, wie es sie letztes Jahr zahlreich zu bewundern gab (Man denke zurück an Roman Ehrlichs »Das kalte Jahr« oder Lisa Kränzlers »Nachhinein«). Weiterlesen

Ein Marsch durch Schnee und Eis: Roman Ehrlichs wellenschlagendes Debüt »Das kalte Jahr« wurde kürzlich zu Recht mit dem Förderpreis des Bremer Literaturpreises ausgezeichnet. Zu Beginn des Romans läuft ein junger Mann los, um zu seinem Elternhaus zurückzukehren. Er ist der Stadt überdrüssig: »Es war kein lange vorher gefasster Entschluss. Ich konnte einfach plötzlich nicht mehr in meiner Wohnung bleiben, in meiner Straße, dem Viertel (…) mit dem kleinen Supermarkt auf der einen und dem großen Supermarkt auf der anderen Straßenseite.« Und so macht er sich auf, wandert durch das eingeschneite Deutschland, an Autobahnen entlang, an Jauchegruben und Möbelhäusern vorbei. Geschult an der Klarheit und Virtuosität W. G. Sebalds, hat Ehrlich einen Roman komponiert, der beunruhigt und fasziniert. Das beste Debüt des Jahres! Weiterlesen