Hat mal Baseball gespielt: Chad Harbach (Foto: Beowulf Sheehan)

Fangen und rennen, werfen und spucken: Baseball ist in Deutschland ein weißer Fleck auf der Sportlandkarte. Umso mutiger erscheint es auf den ersten Blick, dass der Kölner DuMont Verlag in Deutschland einen Sportroman (!) über jene Sportart veröffentlicht.
Doch bereits auf den zweiten Blick lichtet sich der Nebel: Für 665.000 Dollar sicherte sich der Verlag Little, Brown and Company die Rechte an dem Roman »The Art of Fielding« des 37-Jährigen Amerikaners Chad Harbach. 2011 wurde der Debütroman von Harbach in den USA veröffentlicht und eilte fortan von Erfolg zu Erfolg.
Jonathan Franzen, der mit seinem Epos »Freedom« vor einigen Jahren zwar einen größeren, aber immerhin prognostizierbaren Erfolg einfahren konnte, überschüttete den debütierenden Autoren mit Lorbeeren: »Debütromane von solcher Vollkommenheit und Sogkraft sind sehr, sehr selten.«
Und auch John Irving, der Charles Dickens der gegenwärtigen amerikanischen Literatur, ließ es sich nicht nehmen, ein paar warme Worte auf das Cover des Buches drucken zu lassen: »Chad Harbach hat das Spiel für sich entschieden. Wunderbar zu lesen, das reinste Vergnügen.«

Jetzt erscheint der Roman mit dem Titel »Die Kunst des Feldspiels« also in Deutschland und die FAZ ruft: »Willkommen in der Topliga, Junge! Ganz Amerika liest Die Kunst des Feldspiels mit Begeisterung.« Da ist Vorsicht geboten.
Doch tatsächlich: Der Roman hält, was die Lobesworte versprechen. »Die Kunst des Feldspiels“ ist ein brillanter Coming-of-Age-Roman über den Zweifel und das Scheitern, über Drogen, Sex und Sport.
Die Erzählung steht in der Tradition von Salingers »Der Fänger im Roggen«, von »The Great American Novel« von Philip Roth, Don DeLillos »Unterwelt« und dem ersten Teil der Rabbit-Reihe von John Updike.

»Die Kunst des Feldspiels« erzählt die Geschichte von Henry Skrimshander, einem Baseball-Talent, wie es seit vielen Jahren keines mehr gab. Henry ahnt die Flugbahn der Bälle bereits vor dem Abschlag. Er ist ein blasser, unscheinbarer, wortkarger Junge aus der amerikanischen Provinz der aufgrund seiner besonderen Fähigkeit in die Mannschaft des Westish College aufgenommen wird. Durch sein Talent verhilft Henry der Mannschaft zu neuem Glanz und bringt sie gemeinsam mit seinem Kommilitonen und Mentoren Mike Schwartz auf Erfolgskurs. Eines Tages missglückt Henry ein Standardwurf, der ihn und das Westish College aus der Bahn wirft. Henry durchlebt die Abgründe des amerikanischen Traums, wandelt von Selbstzweifeln zu Depressionen zur Selbstaufgabe.  Er – doch nicht nur er – wird im Verlauf seiner Adoleszenz feststellen, dass man nicht alles erreichen kann, obwohl man hart dafür trainiert, dass das Leben anders kommt, als erwartet. Es ist die Antithese des »American Dream« und das Thema eines klassischen Bildungsromans also, was Harbach innerhalb dieser »great american novel« ausleuchtet. Er eifert darin seinen zeitgenössischen Vorbildern Jonathan Franzen und David Foster Wallace nach.

In diesem Buch geht es um die großen Werte des Lebens: Aufrichtigkeit, Treue, Freundschaft, Liebe. Doch artet der Roman niemals in wattebäuschiges Pathos aus. Geschickt verknüpft Harbach die Wege von Mike Schwartz und Owen, des College-Präsidenten Guert Affenlight und dessen Tochter Pella. Der Roman ist fein kombiniert: Motive der ersten Kapitel tauchen am Ende des 600 Seiten starken Romans wieder auf.
Baseball ist das Spielfeld des Buches. Das Spiel ist mit einer heroischen Symbolik aufgeladen, die Last und die Leichtigkeit der Welt sind in diesem Ballspiel verborgen. Doch auch jenen Menschen, denen der Sport und seine Regeln nicht vertraut sind, werden dieses Buch lesen, so wie man als Kind gelesen hat: Seite um Seite, Kapitel für Kapitel – mit der Taschenlampe unter der Bettdecke.

»Die Kunst des Feldspiels«. Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner und Johann Christoph Maass. DuMont: Köln 2012.